Foto: ©CleverShuttle / Finn Fredeweß
Berlin, 29.06.2020. Von Lisa Ruhrort, Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB). Auch in Zeiten von Corona ist die Verkehrswende in aller Munde. Was lange Zeit eine randständige Meinung war, wird aktuell in vielen Städten zunehmend mehrheitsfähig: Wir haben zu viele Autos. Diese nehmen viel zu viel Platz weg, verursachen Stau und Schadstoffe und verhindern, dass öffentliche Räume wirklich von allen genutzt werden können. Zunehmend werden daher Visionen laut, wie unsere Städte in Zukunft aussehen könnten, wenn wir die Zahl der Autos drastisch reduzieren. Vor allem würden die öffentlichen Räume dann wieder mehr Platz für Radfahrer*innen, Fußgänger*innen und spielende Kinder bieten. Konkret peilt zum Beispiel das Umweltbundesamt als Zielwert an, dass wir in 2030 mit ungefähr 150 PKW pro 1000 Einwohner*innen auskommen können – und dabei trotzdem weiter mobil sind. Ein Bündnis aus Berliner NGOs hat jüngst gefordert, die Zahl der Autos in Berlin alle zehn Jahre zu halbieren.
Die Frage ist aber: Wie kommen wir da hin? Wie lässt sich die Zahl der Autos reduzieren? Auf der einen Seite müssen wir die bisherigen Privilegien des privaten PKW abbauen. Öffentliche Räume müssen neu aufgeteilt werden (zum Beispiel neue Fahrradwege, mehr Fußgängerflächen, weniger Parkplätze). Auf der anderen Seite brauchen wir dazu aber auch viele neue Mobilitätsangebote. Bus, Bahn und Fahrrad sind zwar enorm wichtig für die Verkehrswende. Wenn wir aber wirklich wollen, dass zukünftig hunderttausende Haushalte auf ihr Auto verzichten, dann muss es daneben auch noch weitere Optionen geben. Erst dann wird es auch für die Masse der Autobesitzer*innen (in Berlin gibt es 1,2 Millionen private PKW!) attraktiv, das eigene Auto ganz abzuschaffen. Eine Möglichkeit dafür liegt in so genannten Ride-Pooling-Angeboten. Diese flexiblen Sammeltaxis könnten den traditionellen ÖPNV mit Bussen und Bahnen durch eine Tür-zu-Tür-Option ergänzen.
Wie viele Autos könnten ersetzt werden?
Doch wie viele Menschen wären bereit, den eigenen PKW abzuschaffen und stattdessen diese neuen Angebote in Kombination zu Bus, Bahn und anderen zu nutzen? Um dies zu beantworten, muss man sich die verschiedenen Typen von Autobesitzer*innen in den Großstädten näher anschauen: Darunter gibt es eine Teilgruppe von Autobegeisterten, die auch mit den verlockendsten Alternativen nicht vom eigenen PKW abzubringen wären. Eine andere Teilgruppe besteht aus Menschen, die nicht unbedingt autobegeistert sind, die aber viele Wege fahren, die mit anderen Verkehrsmitteln nicht gut gemacht werden können (z.B. die Krankenschwester, die abseits von U- und S-Bahn wohnt und um 4:00 Uhr von der Nachtschicht kommt). Diese beiden Gruppen werden die Letzten sein, die ihr Auto aufgeben. Es gibt aber noch eine andere Gruppe: Diese Menschen haben ein Auto im Haushalt, sind aber eher pragmatisch dazu eingestellt. Sie halten am Auto fest, weil die bisherigen Alternativen ihnen nicht für alle Wege attraktiv genug sind; oder sie behalten das Auto sogar schwerpunktmäßig nur noch als „Versicherung“, wenn man es ‚eben doch manchmal braucht‘.
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Zum Weiterlesen:
Ruhrort, Lisa (2019): Transformation im Verkehr / Erfolgsbedingungen für verkehrspolitische
Schlüsselmaßnahmen, Springer VS: Wiesbaden. Link
Canzler, Weert; Knie, Andreas und Lisa Ruhrort (2019): Autonome Flotten / Mehr Mobilität mit
weniger Fahrzeugen, Oekom-Verlag: München. Link
Rode, Philipp; Christian Hoffmann; Jens Kandt; Duncan Smith and Andreas Graff (2015). Towards
New Urban Mobility: The case of London and Berlin. Peter Griffiths (ed). LSE Cities/InnoZ. London
School of Economics and Political Science: London. Pdf