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Die Verkehrswelt hat sich seit der Coronakrise deutlich verändert. Nach dem Shutdown und den Einschränkungen der Beweglichkeit sind die Verkehrsleistungen stark zurückgegangen, die beförderten Personen im Flug- und Bahnverkehr genauso wie im öffentlichen Personennahverkehr. Selbst der Autoverkehr ist deutlich geringer geworden. Gleichzeitig haben die Berliner*innen ihre Stadt ganz neu kennengelernt: ruhig und mit viel freiem Platz. Allerdings ist die für Berlin typische Vielfalt an Sharing-Angeboten, On-Demand-Services und anderen App-basierten Dienstleistungen fast ganz verschwunden und kommt nur sehr langsam wieder zurück. Mit der Lockerung der Einschränkungen Ende April zeigen die Zählstellen der Senatsverwaltungen eine deutliche Steigerung des Fahrzeugverkehrs auf fast das Niveau der Vormonate. Es wird deutlich, dass auch in der Krise der „motorisierte Individualverkehr“ (MIV) selbst in Berlin immer noch dominiert.
Dieser automobile Massenverkehr gefährdet aber die Gesundheit durch Luftverschmutzung und Lärm, er ist in hohem Maße klimaschädlich, vermindert drastisch die Aufenthaltsqualität in den öffentlichen Räumen der Stadt, blockiert Flächen für andere Nutzungen wie für Wohnen, Grünanlagen, Fahrradfahren, Zufußgehen und ist ursächlich für eine hohe Zahl von Verkehrsunfällen. Bei fehlender Gegensteuerung werden sich diese Probleme in Zukunft gerade auch in Berlin weiter verschärfen. Das lässt sich an der steigenden Zahl der registrierten Personenkraftwagen (Pkw) sowie am wachsenden Anteil der Einpendler, die ausschließlich den Pkw nutzen, erkennen.
Gleichzeitig hat die Krise gezeigt, dass die Alternativen zum privaten Pkw, wie der öffentliche Nahverkehr sowie die Sharing- und Plattformangebote, ohne eine höhere finanzielle Unterstützung des Landes nicht in der gewünschten Qualität angeboten werden können. Die dafür notwendigen zusätzlichen finanziellen Unterstützungsleistungen sind aber im Landeshaushalt nicht abgebildet. Die City-Maut als Finanzierungsquelle für den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) kann deshalb einen wichtigen Beitrag zur Steigerung der Mobilitätsqualität in der Stadt leisten.
Eine wirksame Verkehrswende ist zudem nur möglich, wenn sich das Verhalten der Verkehrsteilnehmer*innen verändert. Auch dazu kann eine City-Maut in erheblichem Umfang beitragen.
Nach allen vorliegenden Erfahrungen aus dem Ausland (London, Stockholm, Mailand, Oslo etc.) ist eine Bepreisung der Straßenbenutzung durch Fahrzeuge eine wirksame Maßnahme, um eine Verkehrswende in einer Stadt herbeizuführen. Das übergeordnete Ziel einer City-Maut sollte es sein, die Mobilitäts- und Lebensqualität in Berlin deutlich zu verbessern und die negativen Umweltwirkungen des Verkehrs zu verringern.
Gleichzeitig kann und muss eine City-Maut so ausgestaltet werden, dass sie sozialverträglich ist und einen Beitrag zur Flächengerechtigkeit in unserer Stadt leistet.
Nach internationalen Erfahrungen können mit einer City-Maut – je nach Ausgestaltung – folgende Ziele erreicht werden:
- nachhaltige Veränderung des Verkehrsverhaltens mit der Folge einer erheblichen Steigerung des Anteils des Umweltverbundes am Modal-Split;
- signifikante Verringerung der verkehrsbedingten Belastungen für Umwelt und Klima (Kohlenstoffdioxid (CO2)-Ausstoß, Feinstaub- und Stickstoffemissionen, Lärmbelastungen);
- erhebliche Verbesserung der Verkehrssicherheit durch Verringerung der Zahl der Verkehrsunfälle, der Verkehrsverletzten und der Verkehrstoten;
- Schaffung von neuen Potenzialen für eine Umnutzung des öffentlichen Raums und einer Steigerung der Aufenthaltsqualität;
- Optimierung der Verkehrssteuerung und des Verkehrsmanagements in der Stadt, weil die City-Maut flexibel nach Tageszeiten, Räumen, Luftbelastungs- und Verkehrslagen differenziert werden kann;
- Erschließung neuer Finanzierungsquellen zum weiteren Ausbau des ÖPNV sowie ergänzende Angebote wie Sharing und Ridepooling als Alternativen zum MIV.
Eine City-Maut könnte vom Berliner Senat im Rahmen eines Modellversuches temporär eingeführt und umfänglich getestet werden.
Ein Modellversuch bietet die Chance, wissenschaftliche Erkenntnisse über die Auswirkungen einer City-Maut zu gewinnen, verschiedene Ausgestaltungsvarianten der City-Maut zu erproben, eine breite öffentliche Diskussion in Berlin über die City-Maut zu stimulieren und damit belastbare Grundlagen für künftige politische Entscheidungen über die Grundsatzfragen der Berliner Mobilitätspolitik zu schaffen.
Dieser Modellversuch könnte als ein „Reallabor“ ausgestaltet und damit so angelegt werden, dass die mobilitätspolitische Innovation „City-Maut“ in Berlin mit breiter Beteiligung der Berliner*innen in einem ergebnisoffenen Experimentierfeld erprobt wird.
City-Maut Berlin 2021 / 26. Juni 2020
Das folgende Papier ist das Ergebnis einer mehrmonatigen Diskussion der City-Maut-Initiative Berlin. In dieser Initiative haben sich Personen zusammengefunden, denen die Verkehrswende ein großes Anliegen ist und die aus unterschiedlichen Interessen heraus die Diskussion um eine City-Maut in Berlin voranbringen wollen. Das Papier ist allein in der Verantwortung der genannten Autoren entstanden und wird von keiner Institution, Organisation oder Unternehmung verantwortet.
PDF-Download City-Maut Berlin 2021 / Non-Paper zur Einführung einer City-Maut
City-Maut-Initiative Berlin / Autoren:
Andreas Knie & Weert Canzler
Robin Tech
Hans Gerd Prodoehl
Silke Bustamante
Markus Abel