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30.11.2020. Klimawandel, Stickoxide, Feinstaub – es gibt viele Gründe dafür unsere Mobilität zu verändern. In diesem Podcast mit Anke Borcherding vom WZB geht es dahin, wo Mobilität schon heute Zukunft hat. Carsharing ist nur was für Großstädte, oder? Nein. Auch auf dem Land kann Carsharing funktionieren und sogar profitabel sein. Dafür gibt es allerdings ein paar Voraussetzungen.

Autokorrektur – Der Quarks Podcast für bessere Mobilität / WDR Online. Von Robin Schäfer
https://www1.wdr.de/mediathek/audio/quarks-autokorrektur/autokorrektur-106.html

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Kurswechsel: So gelingt die Verkehrswende / klimareporter, 23. November 2020. Digitale Mobilitätsangebote wie Pooling-Dienste sollen endlich aus der rechtlichen Grauzone geholt werden – mit einer Novelle des Personenbeförderungsgesetzes. Die kreist allerdings seit Monaten um die Frage, wohin Mietwagen nach getaner Fahrt zurückkehren sollen. Von Jörg Staude.

Jeden Tag sind in Deutschland rund 30 Millionen Menschen mit Bus und Bahn unterwegs. Gut eine Million nutzen – jedenfalls vor der Pandemie – Taxen, um von A nach B zu kommen. Geregelt werden solche öffentlich zugänglichen Verkehrsmittel durch das Personenbeförderungsgesetz (PBefG).

Um es in Zeiten der Verkehrswende zu modernisieren, hatte Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) eine „Findungskommission“ eingerichtet. Die einigte sich Ende Juni dieses Jahres „mehrheitlich“ auf einen „breiten Konsens zur Modernisierung der Personenbeförderung“, wie das Ministerium mitteilte.

Unter Modernisierung verstand die Kommission, neuartige plattformbasierte und digitale Mobilitätsangebote zu ermöglichen, die Beförderung im ländlichen Raum zu flexibilisieren sowie Pooling-Dienste zu stärken.

Bewahren will die Kommission aber auch einen fairen Ausgleich zwischen Beförderungsformen, indem zum Beispiel die Rückkehrpflicht für Mietwagen von Anbietern wie Uber oder Lyft beibehalten wird.

Anfang Oktober, fünf Monate nach dem Votum der Findungskommission, legte das Ministerium dann einen Entwurf für ein modernisiertes Personenbeförderungsgesetz vor. Mit dem Gesetzentwurf werde die Arbeit der Poolingdienste erstmals gesetzlich geregelt, lobt Andreas Knie vom Wissenschaftszentrum Berlin (WZB).

Denn Unternehmen wie Clevershuttle in Berlin oder Moia in Hamburg, die Fahrgäste per App „einsammeln“, sind bisher nur auf der Grundlage einer Experimentierklausel unterwegs, die die Laufzeit der Mobilitätsprojekte auf vier Jahre begrenzt. Knie: „Was bisher de facto illegal war, wird jetzt durch die Gesetzesnovelle legalisiert.“

Unökologische Rückkehrpflicht

Die PBefG-Novelle beendet auch für Stefan Gelbhaar, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag, einen „Wildwuchs in einer rechtlichen Grauzone“ und ermögliche ein breiteres Angebot an Mobilitätsdiensten.

Weil ein ausgebuchter Poolingdienst eine bessere Klimabilanz aufweise, gelte für Poolingfahrzeuge zu Recht keine Rückkehrpflicht, dafür aber eine Pooling-Quote, um einen möglichst hohen Besetzungsgrad zu erreichen, so Gelbhaar.

Um unnötige Leerfahrten zu vermeiden, sollen Mietwagenfirmen laut dem Gesetzentwurf in den Städten beispielsweise auch „Stützpunkte“ ansteuern können, wenn diese mindestens 15 Kilometer vom Hauptsitz entfernt sind.

Die Erlaubnis dafür sieht der Gesetzentwurf im Wesentlichen bei den Kommunen. Diese sollen jeweils nach den Verhältnissen vor Ort entscheiden.

„Die Politik gibt den Kommunen durch die Novellierung des Personenbeförderungsgesetzes die Freiheit, selbst zu entscheiden, wie sie die Rückkehrpflicht händeln“, sagt Katja Diehl von Door2Door, einem Anbieter bestellbarer Fahrten mit mehreren Personen, auch „On-Demand Ride-Pooling“ genannt.

Diehl hält die Rückkehrpflicht für überholt. Diese sei 1982 geschaffen worden, um Taxi- und privaten Mietwagenverkehr voneinander abzugrenzen.

„Doch im Lichte des Klimawandels und der Hoffnung, eine effektive Verkehrswende voranzutreiben, sollte besser der Schulterschluss zwischen ÖPNV, lokalen Taxi-Unternehmen und neuen digitalen Software-Anbietern gesucht werden“, meint Diehl.

„Eine ganz andere Dynamik und Dominanz“

Von einem Schulterschluss ist bisher nichts zu sehen. Einen ersten Gesetzentwurf musste das Ministerium nach wenigen Tagen zurückziehen. Vor allem die Regelungen zur Rückkehrpflicht der Mietwagendienste waren auf Widerstand gestoßen.

Diese seien „nicht mehr als ein Schildbürgerstreich aus dem Scheuer-Ministerium“, hatte Michael Oppermann vom Bundesverband Taxi und Mietwagen kritisiert. Die Rückkehrpflicht für Mietwagen bleibe zwar dem Namen nach erhalten, die Kontrolle aber durch neue Ausnahmen vollständig verhindert, meinte der Verbandsvertreter.

Wie das Verhältnis von Mietwagenfirmen und Taxen gesetzlich geregelt werden soll, ist noch immer einer der zentralen Streitpunkte bei der Novelle, bestätigt WZB-Experte Andreas Knie.

Einen Grund sieht er darin, dass Mietwagenmodelle wie die von Uber oder Lyft eine „ganz andere Dynamik und Dominanz haben“. Ein Vorteil der neuen Anbieter sei eben, dass sie in der Gestaltung ihrer Tarife völlig frei sind.

Nach einschlägigen Angaben soll der Fahrkilometer bei einem Taxi mit 1,60 bis 1,65 Euro zu Buche schlagen, bei einem Mietwagen-Anbieter jedoch nur mit 1,10 bis 1,20 Euro.

Dieser ungleiche Wettbewerb müsse reguliert werden, findet Knie. Das leiste leider auch der neue PBefG-Referentenentwurf, den das Verkehrsministerium inzwischen vorlegte, noch nicht.

„Autos kreisen in der Stadt, bis ein Auftrag eingeht“

Für Stefan Gelbhaar gilt es dabei, nicht nur Leerfahrten zu vermeiden, sondern auch das derzeit praktizierte „Rotieren“. Momentan müssten Mietwagen zwar zum Betriebssitz zurückfahren – auf welchem Weg, stehe ihnen aber frei.

Gelbhaar: „Fahrzeuge kreisen deswegen in der Stadt, bis ein neuer Auftrag via App eingeht, und verstopfen die ohnehin schon vollen Straßen.“ Aus seiner Sicht bleibt abzuwarten, ob alternative Abstellorte für Mietwagen die derzeitigen Probleme tatsächlich lösen.

Andreas Knie schlägt als Lösung, um die Interessen von Taxigewerbe und Mietwagenfirmen auszugleichen, die Einführung einer sogenannten „Vorbuchphase“ vor.

Wenn der Kunde das Angebot einer Mietwagenfirma nutzen will, solle mindestens eine halbe Stunde zwischen dem Bestellen und der Abfahrt vergehen. „Bei einer halbstündigen Reservierungszeit bleibt das schnelle Kundenfahren den Taxis vorbehalten“, vermutet der Mobilitätsexperte.

Seiner Ansicht nach sollen die Mietwagen nicht immer zum jeweiligen Betriebshof zurückkehren müssen. Schon aus ökologischen Gründen müssten deswegen weitere Mietwagen-Stützpunkte in den Kommunen gestattet werden.

Die Kommunen könnten, meint Knie, zugleich dem Taxigewerbe entgegenkommen. Diesem könnten flexiblere Tarife gestattet werden mit einer Unter- und einer Obergrenze.

Wie groß die Spannbreite der Preise dabei sein soll, darüber sei sich die Wissenschaft noch nicht ganz einig, räumt Knie ein. „Die Mietwagenfirmen müssen erlaubt sein, das Taxigewerbe darf aber auch nicht kannibalisiert werden“, beschreibt Knie den Zielkonflikt.

Warten auf Scheuer

Generell gehen ihm die geplanten Änderungen am Personenbeförderungsgesetz aber nicht weit genug. „Wir müssen grundlegend darüber nachdenken, wie wir den öffentlichen Raum neu bewirtschaften“, sagt er.

Für eine Verkehrswende müsse man zum Beispiel an den Anteil von 65 Prozent heran, den der motorisierte Individualverkehr im Schnitt noch am Verkehrsmarkt hat. Im übertragenen Sinne gehe es darum, die „Autofahrer aus ihren Autos herauszuholen“.

Wann der nächste Gesetzentwurf auf den Tisch kommt, ist unklar. Auf entsprechende Nachfragen von Klimareporter° antwortete das Verkehrsministerium bisher nicht.

„Wahrscheinlich weiß das noch nicht einmal Bundesverkehrsminister Scheuer selbst“, meint Gelbhaar. Das Gesetz solle aber „besser heute als gestern in den parlamentarischen Prozess kommen“.

Gründe dafür sieht Gelbhaar genug: Den mobilen Start-ups und Initiativen laufe die Zeit davon, wenn nun die Experimentierklausel ablaufe. Das Taxigewerbe sei gegenwärtig dem Druck aus der erwähnten „rechtlichen Grauzone“ ausgesetzt. Zudem benötige der öffentliche Verkehr eine saubere Grundlage für eigene Pooling-Angebote.

„Es ist in der Summe unverantwortlich, dass das Verkehrsministerium mitsamt des verantwortlichen Ministers da keinen Zug reinbringt, sondern die Novelle bislang vertändelt“, kritisiert Gelbhaar.

Redaktioneller Hinweis: Andreas Knie ist Mitglied des Herausgeberrats von Klimareporter°.
Quelle: https://www.klimareporter.de/verkehr/alles-kreist-noch-um-die-mietwagen

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20.11.2020. Die Automobilindustrie stand einst für einen gesamtgesellschaftlichen Wohlstandsgewinn in Deutschland und auch noch heute weist der Fahrzeugbau eine der höchsten Produktivraten aller Wirtschaftsbereiche auf. Auch die Gewerkschaftsbewegung profitierte von dem hohen Anteil der gut bezahlten Beschäftigten und konnte sich eine einflussreiche Position im Arbeiter:innenkampf erarbeiten, die jetzt natürlich nicht so schnell aufgegeben werden will.

Doch der Druck auf die Automobilindustrie wächst im Zuge der Klimabewegung. Die Expansion der Produktion ist ökologisch nicht mehr zu vertreten und die Autos stehen im Zentrum des Transformationsprozesses. Auch die Corona-Pandemie ist nicht spurlos an der Branche vorbeigegangen. Mit einem Auftragsrückgang von über 25 Prozent wird im April sogar der größte Einbruch seit Beginn der Statistik 1991 verzeichnet. Als Reaktion auf diese Entwicklung und um die bedrohten Arbeitsplätze zu sichern fordert die Industrie und Gewerkschaft Liquiditätshilfen, Konjunkturpakete und nicht zuletzt Kaufprämien, um neue Wachstumsimpulse zu setzen.

Trotz aller klimapolitischen Forderungen der letzten Jahre und absehbaren Folgekosten des Emissionsausstoßes des motorisierten Individualverkehrs haben die Gewerkschaften noch keinen Weg gefunden, die Forderungen des Klimaschutz und die Zukunft der Beschäftigungspolitik zusammenzudenken und geeignete Antworten für eine nachhaltige, solidarische Arbeitspolitik zu finden.

Das Auto als Symbol männlicher Dominanz
Das Auto galt als Versprechen des sozialen Aufstiegs, der individuellen Freiheit und Unabhängigkeit. Technische Innovationen sollen das Automobil immer etwas schneller, größer, effizienter machen und andere Verkehrsteilnehmer:innen müssen dem dominanten Auto weichen. Alles Attribute, die eng mit einem traditionellen Männlichkeitsbild verknüpft sind (vgl. Aljets 2020).

Aber nicht nur das Automobil an sich ist männlich konnotiert. Die Privilegierung des Autos ist sowohl in betrieblichen, als auch in politischen und stadtplanerischen Perspektiven Ausdruck männlicher Herrschaftsverhältnisse: Der Gender Gap in der Autoproduktion und Zulieferindustrie liegt in Deutschland mit einem Frauenanteil von ca. 14 Prozent (vgl. IG Metall 2010) noch weit unter dem Durchschnitt weiblich Beschäftigter in anderen Branchen im produzierenden Gewerbe und ist gleichzeitig der niedrigste Wert im europäischen Durchschnitt. In den Vorständen der Automobilindustrie sind Frauen lediglich zu 12 Prozent vertreten. Hinzu kommt, dass Frauen auch noch im Durchschnitt ein Drittel weniger verdienen, häufiger befristet und Teilzeit beschäftigt sind als ihre männlichen Kollegen (vgl. IG Metall 2010).

Genauso männlich wie ihre Beschäftigten, ist auch die Gewerkschaft der Automobilindustrie: Lediglich 16,4 Prozent der IG Metall Mitglieder sind weiblich (vgl. IG Metall 2010), die Vorstände und Betriebsräte überwiegend männlich besetzt und die von der IG-Metall entsendeten Mitglieder in aktuellen Kommissionen und Arbeitskreisen auf Landes- und Bundesebene, wie beispielsweise die Nationale Plattform für die Zukunft der Mobilität (NPM), sind traditionell Männer.

Verkehrspolitik und die Automobilindustrie scheinen eine der letzten Bastionen für ausschließlich Männer zu sein. Politik und die Zukunft des Autos werden von Männern für Männer gemacht und die männliche Dominanz in der Branche sichert somit auch die Vorherrschaft der Autos auf den Straßen ab.

Der Tenor der aktuellen Debatte attestiert der Verkehrswende, dass selbst in den optimistischsten Szenarien einer erfolgreichen Verkehrsverlagerung PKW und LKW weiterhin eine zentrale Rolle im Mobilitätssystem spielen werden (Kuhnimhof/ Liedtke 2019). Wenn sich ab Morgen allerdings nur noch Frauen im Verkehr bewegen würden, kämen wir einer Verkehrswende und autofreier Innenstädte ein ganzes Stück näher. Frauen nutzen und besitzen seltener ein Auto (vgl. Nobis/Kuhnimhof 2018: 51), fahren öfter Fahrrad oder gehen zu Fuß und mehr als die Hälfte aller Nutzer:innen des ÖPNV sind Frauen. In Deutschland sind nur 32 Prozent aller Neuwagenkäufer:innen weiblich und Frauen legen mehr Wert auf Autos mit geringerem Verbrauch und Schadstoffausstoß als Männer (Niethammer 2019).

Jobsicherung für alte Männer
Wenn die IG Metall nun fordert Arbeitsplätze in der Automobilindustrie zu sichern, geht es dabei vornehmlich um die Jobs von Männern. Das sind Arbeitsplätze, die Jahrzehnte lang sehr gut entlohnt wurden, weil sie von einem patriarchalen System, das ihnen kostenlos den Rücken für die Lohnarbeit freihält und nicht zuletzt der Ausbeutung der Natur und den systematischen Krieg um Öl, profitiert haben. Es handelt sich hierbei um eine Industrie, deren kapitalistische Struktur nicht mehr mit dem heutigen Anspruch auf Klimaschutz zu vereinbaren ist. Dennoch halten die männlichen Spitzenpositionen in Gewerkschaft und Politik weiterhin am Auto fest.

Dabei zentriert sich der gewerkschaftliche Diskurs vor allem auf die klassischen Berufe im produzierenden Gewerbe. Jedoch war eine der ersten Maßnahmen der Automobilindustrie, um den Gewinneinbruch abzufedern, Arbeitsplätze in sogenannten Unterstützungsfunktionen wie im Personalmanagement, in der Marketing- oder Rechtsabteilung zu reduzieren (vgl. Niethammer 2019). Das sind vor allem die Bereiche, in denen überwiegend Frauen in der Mobilindustrie tätig sind. Der gewerkschaftliche Schutzschirm für Beschäftigte muss für alle gelten.

Darüber hinaus waren Frauen traditionell schon immer von prekären Arbeitsverhältnissen betroffen und jetzt müssen plötzlich mehrere Konjunkturpakete dafür herhalten, um die Arbeitsplätze von Männern zu sichern. Eine betriebliche Sicht auf den Klimawandel und den Abbau von Stellen in der Automobilindustrie ist auch eine Geschlechterfrage.

Transformation ja, aber bitte ohne die eigenen Privilegien aufgeben zu müssen
Auch neben den beschäftigungspolitischen Aspekten scheint die politische Steuerung der IG Metall verschiedene marginalisierte Gruppen gegeneinander auszuspielen. So wird zum Beispiel eine CO2 Steuer abgelehnt, da sie sozial nicht verträglich sei. Jedoch lässt diese Argumentation außer Acht, dass zumeist Frauen und Menschen aus den ganz unteren Einkommensschichten sowieso kein Auto besitzen. Von einer steuer- und abgabenpolitischen Verkehrswende wären also vor allem Männer aus mittleren Einkommensschichten betroffen.

Aktuell forcieren die Automobilindustrie und die Gewerkschaften einen Wandel hin zu emissionsfreien Antrieben und insbesondere E-Mobilität. Die ausschließliche Elektrifizierung der Fahrzeugantriebe ist zu wenig für eine nachhaltige, ökologische Verkehrswende, denn Platz- und Ressourcenkonflikte werden durch eine Antriebswende nicht gelöst. Ziel muss sein, den Verkehr dauerhaft zu verringern und die Dominanz des privaten Pkws zu überwinden.

Auch andere Ansätze für eine Verkehrswende haben überwiegend männliche Bedürfnisse im Blick. Über 60 Prozent der Nutzer:innen von Carsharing-Angeboten sind Männer (vgl. Nobis/Kuhnimhof 2018: 83), was sich darauf zurückführen lassen könnte, dass Frauen andere Bedürfnisse in ihrer Mobilität haben und sich weniger vom Marketing des Unternehmens angesprochen fühlen könnten.

Sicherlich wird es einige Zeit dauern, um nachhaltig einen Paradigmenwechsel in der Verkehrspolitik zu erreichen. Allerdings gibt es die Forderungen auf einen Wandel nicht erst seit gestern. Es ist ein männlich-dominiertes System, dass dem Automobil weiterhin eine vorherrschende Rolle im Verkehr zusichert. Jedes Mal, wenn es darum geht restriktive Forderungen, wie verpflichtende Abbiegeassistenten, Tempolimits, Parkraumbewirtschaftung oder Pop-Up Fahrradwege durchzusetzen, wollen sich zumeist männliche Politiker nicht ihrer Privilegien und Freiheiten berauben lassen und pochen auf einen Parkplatz direkt vor der Haustür. Gleichermaßen fordern die Gewerkschaften weiterhin Pendlerpauschalen und Dienstwagenprivilegien (und lehnten es sogar anfänglich ab, dieses auf Fahrräder auszuweiten), wovon mehrheitlich männliche Angestellte profitieren, denn Männer Pendeln öfter und besitzen auf den Chef:innenetagen bis zu 50 Prozent häufiger einen Dienstwagen (vgl. FAZ 2019).

Eine weibliche und nachhaltige Zukunft der Mobilität
Anders als es die IG Metall aktuell darlegt, ist der aktuelle Personalabbau ist nicht nur Folge der Pandemie, sondern resultiert aus verschiedenen Faktoren, wie unter anderem die zunehmende Urbanisierung, technologische Innovationen, Verlagerung von Produktion, Rückgang von Export, etc. Es braucht daher zukunftsfähigere Forderungen der Gewerkschaft, als Beschäftigung nur kurzfristig durch Konjunkturpakete zu sichern.

Gewerkschaftliche Antworten dürfen nicht länger auf dem Monopol des Autos beharren und die Verkehrswende muss sich auch in der Beschäftigungspolitik widerspiegeln. Eine Forderung sollte dabei sein, vor allem in neues Personal im ÖPNV zu investieren. Denn überwiegend Frauen profitieren von einer regelmäßigen Taktung von Bus und Bahn und mehr Servicepersonal in dunklen U-Bahnhöfen. Dabei muss sichergestellt werden, dass neu geschaffene Stellen auch an gute Arbeitsbedingungen geknüpft sind, gerecht entlohnt und auch für Frauen als attraktiver Arbeitsplatz gestaltet werden.

Einige Kommunen haben dieses Potential bereits für sich erkannt und auch Berlin geht mit gutem Beispiel voran: Die Berliner Verkehrsbetriebe haben bereits seit 2010 eine weibliche Vorstandsvorsitzende und investieren in Frauenförderung, durch beispielsweise gezielte Ausbildungsprogramme für Frauen, um die immer noch niedrigen weiblichen Beschäftigungsquoten von 20 auf 50 Prozent anzuheben.

Eine weitere Forderung an die Gewerkschaftspolitik muss sein, weiterhin in Arbeitszeitverkürzungen zu investieren. Und zwar am besten aus den Gewinnen der Unternehmen selbst und nicht aus Steuergeldern, in dem man zum Beispiel die Dividende in Zukunft nicht mehr an die Aktionäre auszahlt, sondern in die Beschäftigten investiert. Auf die 35 Stunden Arbeitswoche müssen neue arbeitszeitpolitische Initiativen der IG Metall folgen. Der Vorschlag nach einer vier-Tage-Woche geht in die richtige Richtung, sowohl in Bezug auf das abnehmende Produktionsvolumen als auch für eine zukunftsfähigere Form der Beschäftigung mit mehr Freizeit und familienfreundlicheren Arbeitsbedingungen.

Mobilität ist Kernelement einer demokratischen Gesellschaft und es muss Anspruch einer Gewerkschaft sein, die Teilhabe aller Gruppen am Verkehr gleichermaßen sicherzustellen und die Forderungen des Klimaschutzes mit einer guten Beschäftigungspolitik zu vereinbaren. Die Verkehrswende, mit weniger Autos, Klimaneutralität und mehr Platz, wird nie kommen, wenn sich Männer weiterhin in die Hände spielen. Was die Verkehrswende braucht, ist ein Umdenken in der Beschäftigungspolitik, die auf zukunftsfähige und gemeinschaftliche Anbieter, wie den ÖPNV, setzt. Zusätzlich müssen mehr Frauen in die Mobilitätsbranche, in den Führungsetagen sowie in das produzierende Gewerbe, um weibliche Perspektiven und Bedürfnisse mitzudenken und nicht zuletzt, um der Dominanz des Autos abzusagen.

Sarah George, Werkstudentin der WZB Forschungsgruppe Digitale Mobilität und gesellschaftliche Differenzierung

Quellen

Aljets, J. (2020): Raum nehmen! Warum wir eine feministische Verkehrswende brauchen
https://www.zeitschrift-luxemburg.de/raum-nehmen-warum-wir-eine-feministische-verkehrsplanung-brauchen

FAZ (2019): Papa im Dienstwagen
https://www.faz.net/aktuell/karriere-hochschule/buero-co/klimaschutz-maenner-fahren-haeufiger-dienstwagen-16383043.html

IG-Metall (2010): Frauenbeschäftigung in der Automobilindustrie. Entwicklung und aktuelle Situation
https://www.igmetall.de/download/0157930_kurzfassung_automobilindustrie_10032010_ef6ab461da8be2d39cb0b529eaf9a1bdc768e813.pdf

Niethammer, C. (2019): Managing Germany’s Car Industry Crisis By Staying The Course On Gender Diversity
https://www.forbes.com/sites/carmenniethammer/2019/12/09/managing-germanys-car-industry-crisis-by-staying-the-course-on-gender-diversity/?sh=89c66257e189#3ed8bcc47e18

Nobis, C.; Kuhnimhof, T. (2018): Mobilität in Deutschland – MiD Ergebnisbericht.
Studie von infas, DLR, IVT und infas 360 im Auftrag des Bundesministers für Verkehr und digitale Infrastruktur, Berlin.

Kuhnimhof, T.; Liedtke, G. (2019) : Geht das Zeitalter des Autos zu Ende?
https://www.forschung-und-lehre.de/zeitfragen/geht-das-zeitalter-des-autos-zu-ende-1831/