Grafik: Kristin Rabaschus

Kurswechsel: So gelingt die Verkehrswende / klimareporter, 24. Februar 2021. Geregelt werden Dienstreisen durch das Bundesreisekostengesetz – Klimaziele kommen darin nicht vor. Deshalb liegt es häufig an den Unternehmen und Institutionen selbst, wie nachhaltig Vorgaben und Praxis bei Dienstreisen sind. In der Corona-Pandemie erproben aber viele Organisationen neue Formen der Zusammenarbeit jenseits von Geschäftstrips. Von Sandra Kirchner

Weniger Dienstreisen und mehr Telekonferenzen – was für etliche Erwerbstätige Teil des Berufs war, findet derzeit kaum noch statt. Auf Geschäftsreisen – ob per Bahn oder mit dem Flugzeug – soll während der Pandemie weitgehend verzichtet werden.

Das ist auch beim Bundesverkehrsministerium so. Aufgrund der Sars-CoV-2-Pandemie seien alle nicht zwingend erforderlichen Dienstreisen zu unterlassen, heißt es auf Anfrage beim Ministerium. Derzeit würden verschiedene technische Systeme für Video- und Telefonkonferenzen zur Kooperation genutzt.

Allerdings seien auch schon vor der Pandemie Dienstreisen nur genehmigt worden, wenn „das Dienstgeschäft nicht auf eine andere Weise erledigt werden konnte“, schreibt das Ministerium auf die Frage, ob es Planungen für die Zeit nach der Pandemie gibt. Soll heißen: Ob Dienstreisen dann nach veränderten Kriterien stattfinden werden, ist dem Verkehrsministerium keine Überlegung wert.

Im Bundesumweltministerium ist man einen Schritt weiter. Das Ministerium, das derzeit ebenfalls auf Video- und Online-Konferenzen setzt, will die Erfahrungen aus der Corona-Pandemie auswerten und in neue Vorgaben für Dienstreisen einfließen lassen. „Alternativen zur Dienstreise, insbesondere die Online-Konferenz, werden auch künftig und in deutlich stärkerem Umfang als vor der Pandemie zum Einsatz kommen“, erklärt eine Sprecherin gegenüber Klimareporter°

Zudem sollen die Angestellten des Ministeriums bei ihren Dienstreisen, wenn möglich, mit der Bahn fahren. Seit Januar 2020 gilt der Vorrang der Bahnnutzung für die gesamte Bundesverwaltung. Das sei im Bundesreisekostengesetz so vorgeschrieben, sagt die Ministeriumssprecherin. Seit der Änderung des Gesetzes sei damit auch Nachhaltigkeit, speziell Klimaschutz, ein Kriterium für die Erstattungsfähigkeit von Reisekosten.

„Das Reisekostengesetz kennt keine Klimaziele“

„Geregelt werden Dienstreisen durch das Bundesreisekostengesetz, das Klimaziele leider nicht kennt“, meint dagegen die Verkehrsforscherin Anke Borcherding vom Wissenschaftszentrum Berlin. Deshalb hänge es häufig von den Unternehmen und Institutionen sowie den Einzelnen selbst ab, wie nachhaltig ihre Dienstreisen sind.

Noch 2019 sind Bundesbedienstete öfter geflogen als 2018. Insgesamt 265.823-mal stiegen die Beamt:innen und Angestellten der Bundesregierung und der knapp 120 Bundesbehörden im Jahr vor der Pandemie ins Flugzeug. Dabei wurden 213.942 Tonnen CO2 freigesetzt. Pikant daran ist die hohe Zahl der Kurzstreckenflüge mit über 200.000, was zum Teil daran liegt, dass Bundesministerien und etliche Behörden nach wie vor Dienstsitze sowohl in Berlin als auch in Bonn haben. 

Mit den neuen Vorgaben für den Bonn-Berlin-Verkehr, die ab 2020 der Bahn einen Vorrang einräumen, sollen die dienstlichen Flüge und damit die Treibhausgasemissionen um etwa 30 Prozent reduziert werden. Darüber hinaus kompensiert das Umweltbundesamt seit 2014 die Emissionen, die durch Reisen von Bundesregierung und -verwaltung entstehen, mit Zahlungen an Klimaschutzprojekte.

Auch Nichtregierungsorganisationen wollen ihren CO2-Fußabdruck aus Dienstreisen mindern und haben schon vor der Corona-Pandemie Vorgaben für Geschäftsreisen entwickelt. Beispielsweise hat Greenpeace Deutschland 2019 seine internen Richtlinien für Dienstreisen überarbeitet.

Mitarbeitende sollen prüfen, ob eine Dienstreise wirklich notwendig ist oder sie sich durch Videokonferenzen ersetzen lässt. Solange sich das Reiseziel innerhalb von 24 Stunden mit der Bahn erreichen lässt, sind sie angewiesen mit der Bahn zu reisen. Nur bei weiter entfernten Zielen darf geflogen werden – wenn die Geschäftsführung den Flug genehmigt. Trotzdem machten Dienstreisen bei der global agierenden Umweltorganisation einen nicht unerheblichen Anteil am CO2-Fußabdruck aus.

„Die Pandemie und die Arbeit aus dem Homeoffice hat uns zum Experimentieren gezwungen und viel schneller und deutlicher gezeigt, wie häufig Videokonferenzen physische Treffen ersetzen können“, sagt Benjamin Stephan von Greenpeace. Der Verkehrsexperte der Umweltorganisation rechnet damit, dass die Zahl der Dienstreisen nach Corona zwar wieder etwas ansteigen wird, aber wegen der neuen Dienstreiseverordnung und den Erfahrungen mit Videokonferenzen hält er ein Niveau wie vor der Pandemie für unwahrscheinlich.

Unternehmen erwarten bleibenden Corona-Effekt

In der vergangenen Dekade wuchs die Zahl der Geschäftsreisen aus Deutschland stetig, bis 2019 stieg sie auf 195 Millionen. Das war ein Plus von gut drei Prozent im Vergleich zum Vorjahr, heißt es beim Verband Deutsches Reisemanagement (VDR), der jedes Jahr Zahlen zu Geschäftsreisen vorlegt.

Getätigt wurden all die Business-Trips von 13 Millionen Geschäftsreisenden. Das zeigt aber auch, dass viele Erwerbstätige gar keine Geschäftsreisen machen – und andere dafür umso mehr. 

Mit rund 55 Milliarden Euro schlugen die Geschäftsreisen 2019 zu Buche – davon wurde knapp die Hälfte für den Transport ausgegeben. Fast zehn Milliarden zahlten Unternehmen und Organisationen für Dienstflüge, das sind 38 Prozent der Transportkosten. Wie viele dienstliche Flüge es waren, kann der VDR nicht sagen.

Aus Umfragen unter den VDR-Mitgliedern geht aber hervor: Ein Großteil rechnet damit, dass künftig nicht mehr so viel hin- und hergereist wird. Zwei Drittel der Befragten meinen, dass die Zahl der Geschäftsreisen um bis zu 30 Prozent abnehmen wird, etwa ein Fünftel erwartet einen Rückgang um bis zu zehn Prozent. Nur fünf Prozent glauben, dass die Zahlen wieder das Vor-Corona-Niveau erreichen werden.

Auch die Mitarbeiter:innen der Bundestagsfraktion der Grünen, deren Wähler:innen scheinbar besonders oft fliegen, wollen künftig weniger häufig in den Flieger steigen. „Es ist davon auszugehen, dass wir auch in Zukunft mit mehr Zuschaltungen zu Fraktionsveranstaltungen planen werden“, sagt Iris Throm von der Grünen-Fraktion. Wegen der sehr positiven Erfahrungen mit dem digitalen Austausch wollten die Abgeordneten solche Formate ausweiten.

Dieter Hilla vom Chemieriesen Bayer geht davon aus, dass es künftig weniger Dienstreisen geben wird. Der Konzern, der während der Pandemie ebenfalls auf Online-Konferenzen setzt, plant derzeit, wie die Zusammenarbeit nach Corona gestaltet werden soll. „Schon jetzt steht fest, dass wir auch dann wesentlich weniger Dienstreisen als früher haben werden“, sagt Hilla.

Auch ein Sprecher der Telekom sagt gegenüber Klimareporter°, dass sein Unternehmen künftig weniger Angestellte auf Geschäftsreisen schicken will – auch wenn sich nicht alle Kundentermine vor Ort vermeiden ließen.

Ohnehin scheinen sich größere Unternehmen leichter auf die veränderten Bedingungen durch Corona einstellen zu können. „Während der Pandemie hat sich gezeigt, dass Unternehmen sehr viel besser in der Lage sind, ihre Kommunikationsketten auf Video umzustellen“, sagt Andreas Knie, Experte für nachhaltigen Verkehr beim Wissenschaftszentrum Berlin (WZB).

Das WZB hat dazu Befragungen durchgeführt. Demnach ist die Wirtschaft viel experimenteller, setzt auf andere Kanäle und kann so Geschäftsreisen über Videokonferenzen besser kompensieren.

Wissenschaftliche Reputation muss sich neu erfinden

Deutlich schwerer tut sich aus Sicht von Knie die Wissenschaft. Internationale Netzwerke, Auftritte auf internationalen Konferenzen, Lehraufträge auf der ganzen Welt mit den damit verbundenen Flugreisen – im Extremfall für einen kurzen Auftritt auf einer Veranstaltung in Übersee – gehören zum wissenschaftlichen Alltag.

„Wissenschaftler gewinnen an Reputation, wenn sie ihr Netzwerk möglichst weiträumig ausgelegt haben. Dementsprechend beißt sich der Klimaschutz-Gedanke von weniger Dienstflügen mit dem bisherigen Reputationssystem der Wissenschaft“, sagt der Mobilitätsexperte.

Das sei eine große Herausforderung für die Wissenschaft, die erst jetzt anfange, über solche Fragen nachzudenken. Wissenschaftliche Reputation müsse um Nachhaltigkeitszeile erweitert werden. „Forschende müssen ihr globales Netz künftig deutlich anders organisieren – im Sinne von ‚weniger ist mehr‘. Das heißt also, dass es weniger Treffen geben wird, aber die müssen dann intensiver werden“, sagt Knie.

Eine Vorreiterrolle will dabei die Freie Universität Berlin einnehmen, die schon 2025 klimaneutral sein will und sich vorgenommen hat, ihre Emissionen aus Flugreisen entsprechend zu reduzieren. Mit etwa 5.800 Tonnen CO2 verursachen die Dienstflüge rund ein Drittel des gesamten Treibhausgasausstoßes der Uni.

Ende 2019 hatte die Hochschule in Berlin-Dahlem als erste deutsche Universität den Klimanotstand ausgerufen und weitreichende Handlungsziele formuliert. Der Bereich Mobilität ist ein Schwerpunkt des Nachhaltigkeitsmanagements.

Wie hoch das Potenzial von Treibhausgaseinsparungen durch weniger Dienstreisen ist, haben das Borderstep-Institut und der ökologische Verkehrsclub VCD ermittelt. Demnach könnte die Zahl der Geschäftsreisen künftig um ein Drittel niedriger sein als vor der Pandemie. Das würde in etwa drei Millionen Tonnen CO2 pro Jahr einsparen.

Das schlagen Anke Borcherding und Andreas Knie vom WZB für eine Dienstreise-Strategie vor: 

  • Innereuropäische Flugreisen sind nur in begründeten Ausnahmen möglich. Dafür sind Kriterien aufzustellen, zum Beispiel eine zumutbare Gesamt-Reisedauer per Zug.
  • Flugreisen sind nur in Verbindung mit einem Forschungsaufenthalt, Networking oder sonstigem Mehrwert zulässig und sollen nicht kürzer als 14 Tage dauern. Tages- oder Kurzaufenthalte sind ausgeschlossen.
  • Jede Flugreise muss aus dem Reisebudget kompensiert werden. Dadurch soll ein Bewusstsein für die realen Kosten von Flügen geschaffen und ein Umdenken angeregt werden.

Redaktioneller Hinweis: Andreas Knie ist Mitglied des Herausgeberrats von Klimareporter°.
Quelle: https://www.klimareporter.de/verkehr/corona-wird-zum-einschnitt-fuer-dienstreisen

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Ein Gastbeitrag von Raimund Nowak auf www.energie-klimaschutz.de, 17. Februar 2021

Das Drehmoment bezeichnet die Kraft, die etwas dreht. Wer ein E-Fahrzeug bewegt schätzt die schnelle Bereitstellung des maximalen Drehmoments eines Elektromotors. Verbrennungsmotoren brauchen deutlich länger, bis sie auf Touren kommen. Spät, hoffentlich nicht zu spät dreht sich die Entwicklung in Deutschland in Richtung Elektromobilität.

Wunsch und Realität

Im Jahr 2010 definierten Bundesregierung und Industrie in trauter Einheit ein ambitioniertes Ziel für die wichtigste Branche des Industriestandortes. Das Autoland Deutschland sollte im zweiten Jahrzehnt des 21. Jahrhundert an die Weltspitze der Elektromobilität geführt werden. Das Regierungsprogramm wollte die Bundesrepublik zum Leitmarkt für Elektroautos entwickeln und die deutschen Automobilkonzerne sollten nicht nur bei Verbrennern, sondern auch bei Stromfahrzeugen die Führungsposition einnahmen. Eine Million Elektroautos sollten bis zum Jahr 2020 in Deutschland auf der Straße sein.

„Von der angestrebten Million Elektroautos war nicht mal ein Viertel auf der Straße.“

Raimund Nowak

Am 1.1.2020 zählte das Kraftfahrtbundesamt für Deutschland rund sechs Millionen mehr PKWs als zu Beginn des Jahrzehnts. Von rund 47 Millionen Fahrzeugen fuhren rund 137.000 mit Strom. In Deutschland rechnet man auch die 102.000 Plug-In- Hybride zu den Elektroautos. Das Jahrzehnt, das den Umstieg in die Elektromobilität einläuten sollte, endete mit einem historischen Höchststand an PKW mit Verbrennungsmotoren. Von der angestrebten Million Elektroautos war nicht mal ein Viertel auf der Straße. So verfehlte man nicht nur die Technologieführerschaft in der Elektromobilität, sondern auch die Klimaschutzziele im Verkehrsbereich. Zweifelsfrei eine traurige Bilanz.

Anschluss verpasst?

Trotz vieler Bekenntnisse zum Fahren mit Strom gab sich die deutsche Automobilindustrie ohne Eile auf den Weg in Richtung Elektromobilität. Wer genauer hinsah konnte erkennen, dass die Autobranche mehr auf die Lebensverlängerung des Verbrennungsmotors und weniger auf den Umstieg zur Elektromobilität setzte. Viele Verantwortliche in der Politik stützen die Hoffnung auf eine Fortsetzung der Erfolgsgeschichte des Verbrennungsmotors, die dann durch synthetische Kraftstoffe als Benzin- und Dieselersatz nie ein Ende finden würde. Kein Wunder also, dass Deutschland Anfang 2021 nicht an der Spitze des elektrischen Feldes fährt, sondern damit kämpft, den Anschluss nicht zu verlieren.

Das Tempo der Elektromobilität bestimmen China mit seiner Macht als wachsender Automarkt und der Autohersteller TESLA mit seinem Technologievorsprung. Das chinesische Übrigens, wer die Luftqualität in den asiatischen Ballungsräumen wird das Interesse an lokal emissionsfreien Fahrzeugen verstehen. Die oft gehörte These, Elektromobilität mache nur Sinn, wenn der Fahrstrom aus erneuerbaren Energiequellen stamme ignoriert die Lage der unter Luftverschmutzung und Verkehrslärm leidenden Ballungsräume. Elektrofahrzeuge stoßen keine Schadstoffe aus und fahren relativ leise. Weltweit wollen urbane Zentren Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren aus ihrem Gebiet verbannen. Das wachsende Fahrzeugangebot wird diesen Trend noch verschärfen und schon jetzt ist erkennbar, dass der Transporter mit Dieselantrieb im städtischen Lieferkehr ein Auslaufmodell ist. Wer daran zweifelt sollte sich mit beispielsweise dem elektromobilen Engagement von Amazon beschäftigen. Joe Biden hat angekündigt, den über 600.000 Fahrzeuge starken Fuhrpark der US-Bundesbehörden auf E-Autos umzustellen. Daran sollte man sich hier mit einer europaweiten Beschaffungsinitiative für Kommunen ein Beispiel nehmen. Die Elektrifizierung öffentlicher Flotten gewährleistet einen zielgenauen Einsatz von Staatsmitteln und wie könnte man besser für die Elektromobilität werben als durch ihren Einsatz?

Auch andernorts entstehen Allianzen, die im Verkehrsbereich Entwicklungen vorantreiben, die man durchaus als Revolution bezeichnen könnte. Eine neue Generation von Personenkraftwagen wird gar nicht mehr für den privaten Besitz, sondern für den Verleih konzipiert und über Fahrassistenzsysteme verfügen, die dann bald das autonome Fahren ermöglichen. Die Wertschöpfung liegt dort weniger beim Fahrzeugbau und mehr in der Informationstechnologie. Niemand wird auf die Idee kommen, diese neue Fahrzeuggeneration mit Verbrennungsmotoren auszustatten. Der Wechsel vom Besitz zur Nutzung wird die Zahl der Autos reduzieren und dadurch den Städten Raum für Neugestaltung geben. Von spektakulären Umbauplänen, wie etwa für den Champs Elysee in Paris, ist ein gewaltiger Motivationsschub für die die gesamte urbane Szene zu erwarten. Nicht nur in der Antriebstechnologie, auch in der Stadtentwicklung dreht sich etwas.

Wer nicht konkurrenzfähig ist verschwindet

In der Elektromobilität geht es längst nicht mehr um das Ob, sondern nur noch um das Tempo der Transformation. Letzteres hängt maßgeblich von der Batterieentwicklung ab. Seit Jahren ist sich die Fachwelt einig, dass bei Unterschreitet einer Kostengrenze bei der Produktion von Batterien Elektroautos einen Preisvorteil gegenüber Verbrennern vorweisen können. Wir werden diesen Moment spätesten im nächsten Jahr erleben. Wie sich ein Automarkt entwickelt, wenn E-Fahrzeuge keine Kostennachteile für die Kunden bieten kann in Norwegen besichtigt werden. Dank staatlicher Eingriffe liegt in diesem skandinavischen Land der Preisvorteil bei den Strom-Fahrzeugen. Mittlerweile werden, trotz beschränkter Modellpalette dort mehr E-Autos als Benziner und Diesel verkauft. Wenn auch ohne Subventionen E-Autos günstiger als Verbrenner sind greifen die Gesetze des Marktes: Wer nicht konkurrenzfähig ist verschwindet.

„In der Elektromobilität geht es längst nicht mehr um das Ob, sondern nur noch um das Tempo der Transformation.“

Raimund Nowak

Insbesondere die US-Firma TESLA hat bewiesen, dass disruptive Entwicklungen auch in der Automobilbranche möglich sind. Als man in Deutschland die Eroberung der Weltspitze in der Elektromobilität als Ziel ausgab war der auf E-Autos spezialisierte Betrieb in Kalifornien in Europa kaum bekannt und wurde in Fachkreisen ob ihrer Fertigungsqualität belächelt. Heute kommt TESLA auf einen höheren Börsenwert als BMW und Daimler zusammen und kann am Ende mit seinem neuen Werk in Brandenburg sogar den entscheidenden Beitrag dazu leisten, dass Deutschland in diesem Jahrzehnt doch noch ein führender Standort der Elektroautoproduktion wird. Natürlich darf man die hiesigen Hersteller nicht zu früh abschreiben. Um erfolgreich zu sein müsste man jedoch die richtigen Lehren aus dem vergangenen Jahrzehnt ziehen und sich konsequent in Richtung Elektromobilität bewegen. Konsequent müssen wir auch bei der Bewertung der Wasserstofftechnologie sein. In den Marktsegmenten PKW- und leichte Nutzfahrzeuge bieten sie keine marktfähigen Lösungen.

Die Erderwärmung zwingt zum Tempo

Nicht allein der globale Wettbewerb, sondern insbesondere die Erderwärmung zwingt zum Tempo. Wer sich glaubwürdig der Klimakrise stellt muss nicht nur energieeffiziente Strom-Fahrzeuge bauen, sondern auch ein anderes Verkehrssystem anstreben. Der Markthochlauf bei Elektroautos bedarf der Flankierung durch den Aufbau von PV- und Windkraftanlagen. Im neuen Jahrzehnt schauen wir nicht allein auf die Zulassungszahlen der Elektroautos, sondern mit gleicher Intensität auf die Produktion des Fahrstroms im eigenen Lande und auf die Elektrifizierung des ÖPNV. Das wird nicht ohne eine breite Unterstützung durch die Bevölkerung. Die Bürgerinnen und Bürger entscheiden nicht nur an Wahlurnen über die politischen Rahmenbedingungen, sondern auch als Kunden über Marktchancen von Elektrofahrzeugen und das Funktionieren neuer Mobilitätskonzepte. Ich setze dabei nicht auf Verbote. Kostenbewusstsein und die Aussicht auf attraktivere Städte werden die Elektromobilität vorantreiben.

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Stiftung Energie & Klimaschutz

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Ein Gastbeitrag von Andreas Knie auf klimareporter.de, 17. Februar 2021

Zum Ende der Regierungskoalition nimmt die Verkehrspolitik doch noch Fahrt auf. Während die Reform der Personenbeförderung im Klein-Klein verharrt, könnte die Verordnung zum automatischen Fahren ein großer Wurf werden.

Das Jahr 2021 begann mit zwei verkehrspolitischen Gesetzesinitiativen, die kaum noch zu erwarten waren. Das Kabinett verabschiedete einen Gesetzentwurf zum autonomen Fahren, der in die Ressortabstimmung geht. Bundestag und Bundesrat debattierten die Novelle zum Personenbeförderungsgesetz (PBefG).

Zu der Novelle soll es kommende Woche eine Anhörung im Verkehrsausschuss geben. Nach den vielen Pannen dieser Regierungskoalition nimmt das Verkehrsministerium zum Schluss nochmals im Sinne des Wortes Fahrt auf. Doch die Kleinteiligkeit der Beförderungs-Branche droht die sich bietende Chance zu verstolpern.

Die beiden Reformvorhaben könnten in ihrem Gestaltungsanspruch unterschiedlicher nicht sein: Die Novelle des Personenbeförderungsgesetzes besteht vor allem aus dringenden Reparaturarbeiten. Erstmals sollen Pooling-Dienste, die Fahrwünsche auf digitalen Plattformen bündeln, legalisiert und neben Taxis und Mietwagen zum dritten Bestandteil des öffentlichen Verkehrsangebotes werden.

Bislang wurden Pooling-Dienste von Anbietern wie Clevershuttle, Moia, Viavan oder Door2Door in der Regel über eine Experimentierklausel sehr aufwendig und auch nur vorläufig genehmigt.

Diskutiert wird in der Branche – neben einer Reihe von Änderungen wie der Abschaffung der Ortskundeprüfung – besonders heftig die Frage nach dem Unterschied zwischen Taxi und Mietwagen. Sie wird im Gesetzestext weiterhin nicht wirklich geregelt.

Die Taxibranche hatte sich beschwert, dass Mietwagen-Anbieter ihre Preise frei bestimmen könnten und die dafür auferlegte Rückkehrpflicht zum Betriebssitz permanent unterlaufen wird. Mietwagen würden wie Taxis einfach mitten in der Stadt auf Fahrgäste warten.

Daher bestehe ein ungleicher Wettbewerb zwischen den konventionellen Taxis mit genehmigungspflichtigen Tarifen und den auf digitalen Plattformen organisierten Mietwagen-Angeboten wie vom US-Konzern Uber, die häufig viel günstiger sein könnten.

Dies hat bereits zu heftigen Verwerfungen geführt. Die Zahl der Taxis ist schon länger rückläufig und die Zahl der Mietwagenkonzessionen nimmt stetig zu. In Berlin beispielsweise stehen bereits 5.000 Mitfahrzeuge einer nur geringfügig größeren Zahl aktiver Taxis gegenüber. Das lässt sich im Stadtbild auch beobachten: Taxis werden zur Mangelware.

So bleiben private Autos übermächtig

Der Entwurf des neuen Personenbeförderungsgesetzes erlaubt nun erstmals auch Taxis, ihre Tarife flexibler zu gestalten. Die Rückkehrpflicht bleibt aber prinzipiell bestehen. Den Kommunen bleibt es am Ende überlassen, diese Regel aufzuweichen und beispielsweise Mietwagen-Anbietern verschiedene Betriebsstätten in einer Stadt zu erlauben, in die die Wagen dann zurückkehren könnten.

Aber was für die Branche wirtschaftlich relevante Fragen sind, ist für die Kunden im Grunde völlig unverständlich. Leute, die mobil sind, nutzen in der Regel Smartphones, immer öfter auch zur Bestellung von Taxifahrten. Ob ein Taxi oder ein Mietwagen vorfährt, ist für Kunden ohne Belang, entscheidend sind Verfügbarkeit, Preis und Zahlungsmodalitäten.

Das bilden die Regeln des Gesetzgebers aber nicht ab. Sie tun so, als sei man noch in einer analogen Welt. Die Frage ist doch: Was muss eigentlich reguliert werden und gibt es noch Gründe, Taxi- und Mietwagendienste zu trennen?

Entscheidend im Gesetz ist immer das „öffentliche Verkehrsinteresse“. Sicher: Der Markt allein regelt im öffentlichen Raum nichts, aber auch die staatliche Daseinsvorsorge, die dem öffentlichen Verkehrsinteresse maßgeblich zugrunde liegt, ist inhaltlich völlig unbestimmt.

Was ist eigentlich ein öffentliches Verkehrsinteresse? Die Branche hat darauf keine Antwort. Sie streitet lieber in kleinlichen Debatten um die Details der Regulierung. Bei Licht betrachtet kümmert sich die Branche um etwas, was keine große Relevanz hat.

Denn im Verkehrsmarkt spielen Taxis und Mietwagen kaum eine Rolle. Beispiel Berlin: Den rund 10.000 aktiven Taxi- und Mietwagen stehen 1,2 Millionen Pkw gegenüber. Noch krasser sieht das Verhältnis für ganz Deutschland aus: Knapp 100.000 Taxis und Mietwagen existieren neben 48 Millionen Pkw.

Während sich also die Branche um Rückkehrpflicht und Tarifbindung zankt, bleibt die Dominanz des privaten Autos übermächtig und lässt die Märkte für diese Branche klein bleiben – egal ob mit oder ohne Rückkehrpflicht.

So kann das private Auto immer noch ganz unbehelligt im öffentlichen Raum abgestellt werden, denn das gilt im Straßenverkehrsrecht als „Gemeingebrauch“. Dagegen muss alles, was gewerblich betrieben wird, entweder mit strengen Auflagen oder mit zusätzlichen Gebühren rechnen.

Öffentlicher Verkehr pflegt seine Nische

Das „öffentliche Verkehrsinteresse“ hat bis heute ein klares Ziel: Die Förderung von Besitz und Nutzung privater Kraftwagen – so wie es gesetzlich erstmals 1934 formuliert und bis heute nicht geändert wurde. Der öffentliche Verkehr, einschließlich der von Taxis, von Mietwagen und nun auch der von Pooling-Diensten läuft als Alibi gleichsam nebenher.

Das gilt erst recht für die Betreiber von Bussen und Bahnen, die von den Änderungen im Personenbeförderungsgesetz ebenfalls betroffen sind. Als zu Beginn der Reform über eine Aufweichung der gesetzlichen Grundlagen diskutiert wurde, hat die Branche jede Öffnung komplett weggeblockt.

Verkehrsunternehmen erlauben bis heute keinem anderen Verkehrsunternehmen, ihre Angebote mitzuvermarkten. So kann jedes Unternehmen ganz ungestört vor sich hin wursteln. Nutzer, die aus dem privaten Auto aussteigen wollen, benötigen weiterhin rund acht bis zehn Apps, um den gesamten öffentlichen Verkehr nutzen zu können.

Die Erfolgsgeschichte des Mobilfunks – ein Anbieter mit einem Service rund um den Globus – soll sich beim öffentlichen Verkehr nicht wiederholen. Die Branche will gar nicht mehr Kunden haben.

Bei einer Anhörung im Bundestag im Januar haben Verbandsvertreter die Strategie nochmals deutlich gemacht: Die jetzigen Angebote von Bus und Bahnen sollen gehalten und pandemiebedingte Fahrgeldausfälle von den Steuerzahlern kompensiert werden. Wachstum möchte die Branche nicht, denn gegen das Auto habe man sowieso keine Chance. Ein Anteil am Verkehrsmarkt von maximal zehn bis 15 Prozent sei „in Ordnung“.

Wer klein denkt, bleibt klein. Die Novelle des Personenbeförderungsgesetzes ist ein Spiegelbild des öffentlichen Verkehrs: Die Betreiber von Bussen und Bahnen möchten ihre Nische juristisch stabilisiert und öffentlich finanziert wissen. Die Anbieter von digitalen Plattformen akzeptieren den vorgegebenen Rahmen als Randerscheinung und streiten sich mit Taxi- und Mietwagenfirmen um Krümel, die abseits des großen Autokuchens verteilt werden.

Durchbruch beim autonomen Fahren

Ein Gedankenexperiment: Was wäre, wenn sich das öffentliche Verkehrsinteresse änderte und der private Autoverkehr eingedämmt und zurückgedrängt wird, weil er zu viele Ressourcen bindet, das Klima bedroht und die Ziele einer universellen Erreichbarkeit nicht mehr erfüllt? Wenn in den Städten der öffentliche Verkehr gemeinsam mit Pooling- und Sharingdiensten die Hauptlast der Mobilitätsangebote erbringen würde?

Das wäre keine Utopie. Um hier nochmals die Hauptstadt zu bemühen: Vor der Pandemie war an den öffentlichen Wegen in Berlin das Auto mit rund 24 Prozent beteiligt, der öffentliche Verkehr mit 28 Prozent und das Fahrrad mit rund 20 Prozent. Fußwege sowie Sharing- und Poolingdienste hatten zusammen einen Anteil von rund 18 Prozent. Der private Autoverkehr ist plötzlich in einer Minderheitenposition.

An der Stelle kommt die zweite Gesetzesinitiative ins Spiel, die das Bundeskabinett mit einem etwas sperrigen Titel auf den parlamentarischen Weg brachte: die Autonome-Fahrzeuge-Genehmigungs-und-Betriebs-Verordnung (AFGBV).

Es fällt einem wirklich schwer zu glauben, aber das Verkehrsministerium hat kurz vor Toresschluss noch einen Coup gelandet. Zwar steht die Ressortabstimmung zur AFGBV noch aus und es gibt noch tausend offene Fragen wie die nach Datenschutz und Haftung – der Geist aber ist aus der Flasche.

Mit der Verordnung öffnet das Ministerium die Tür für den Betrieb „autonomer Flotten“ und geht damit weit über das hinaus, was die deutschen Autohersteller für gut und nützlich befinden.

Daimler, BMW, VW und Co wollen lediglich einen sehr kontrollierten Ausbau des automatischen Fahrens. Der Fahrzeugführer bleibt da immer der Herrscher der Reußen und kann nur ab und zu die Hände vom Steuer nehmen.

Das Ministerium geht einen Schritt darüber hinaus. Vorgesehen ist, dass der Betrieb eines Kraftfahrzeugs nicht mehr von einem Fahrzeugführer, sondern von einer „technischen Aufsicht“ kontrolliert wird, die nicht im Fahrzeug stationiert ist.

Selbstfahrende Autos für den öffentlichen Verkehr

Damit ist tatsächlich ein Paradigmenwechsel vom automatischen Fahren zum autonomen Betrieb möglich. Künftig können Autos als Fahrmaschinen für den öffentlichen Verkehr eingesetzt werden.

Autonome Fahrzeuge unterliegen keiner Steuerung durch einen Fahrzeugführer mehr, sondern folgen einem neu definierten öffentlichen Verkehrsinteresse: Jeder und jede kann sich abholen und bringen lassen, natürlich auf unterschiedlichem Servicelevel. Mal direkt, mal über Umwege, mal allein, mal im Pool, mal mit Gepäck und Kindern und für längere Strecken kombiniert mit Bussen und Bahnen.

Kein Auto müsste mehr 90 Prozent seiner Zeit herumstehen und einen typischen Besetzungsgrad von einer Person aufweisen. Das Auto wäre aus der Klammer des Privatbesitzes befreit: Mehr Mobilität für alle mit weniger Fahrzeugen.

Man ist schnell geneigt zu kommentieren: Alles gut, aber die Technik ist ja noch lange nicht so weit. „Robo-Taxis“ seien doch noch Science-Fiction. Wer allerdings mal nach Phoenix in Arizona schaut, dem wird nicht entgangen sein, dass die Zukunft schon da ist. Dort kann man heute schon in Fahrzeuge ohne Chauffeur einsteigen, und das im Regelbetrieb.

Es wäre also eine Chance für die Neudefinition des öffentlichen Verkehrs. Doch diesmal könnte nicht einmal das Haus Scheuer der Bremser sein, sondern die beharrliche Kleinteiligkeit der Branche des öffentlichen Verkehrs.

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Grafik: door2door

Realizing the full potential of ridepooling services

We at door2door are sure: On-demand ridepooling will unfold its huge potential as soon as we want and are willing to put the effort in it. The first steps have been successfully taken; the “tool” just needs to be used with courage on a large scale. And it will. Because legal regulations and the cities’ desire to be climate-friendly are currently changing public and shared mobility for the better.With this white paper we – the leading German service and software provider for ridepooling projects – would like to outline a solution that closes a wide range of different mobility gaps. This solution can be implemented quickly and meets future requirements. On-demand ridepooling is data-driven and tailored to customer needs from the very start – the perfect solution between flexible but highly inefficient use of private cars and the traditional Cities and rural areas are facing very different mobility challenges in times of climate crisis, political targets for providing public services, and demands for participation. The idea is the five-minute city, i.e. a city in which everything that fulfills our daily needs is within a five-minute reach. This old approach is becoming a very strong vision again, and is currently driving more and more cities. But how do we reclaim the city for people without losing the comfort of private mobility? How do we empower suburban and rural areas to be attractive without personal cars?public transport operator (PTO) business. This tool provides an ad-hoc solution that focuses on mobility needs that currently are not covered. Mixed fleets, mixed use cases: The real uncaptured value lies in increasing the vehicle uptime across all fleets. Stronger integration into the public transport network and easy-to-design, intelligent pricing together with holistic approaches to participation and inclusion result in mobility for all at a very profitable level. Ridepooling will individualize public transport and is the only option on the table for dramatically reducing traffic in cities.

https://door2door.io/en/news-door2door/library/
door2door: Next Generation Ridepooling

Autoren
Dr. Tom Kirschbaum
Maxim Nohroudi
André Gerhardy

door2door is the leading innovation partner for the next public transport
There are gaps in every public transport network: At the outskirts of cities and in rural areas, in the evenings and on weekends. We identify these gaps, expand the network with a modern on-demand bus concept and integrate all existing offers into a smartphone app for citizens. This is the fastest way to wider public transport coverage. And the citizens are enthusiastic.

Bild: © Deutsche Bauzeitung, 1931

Ein Beitrag von Andreas Knie. 10. Februar 2021

Herrenfahrer, Selbstfahrer, Automatenfahrer

Im Frühjahr 1931 eröffneten in Berlin die „Kant-Garagen“ als ein neuer „Palast der Automobile“. Es handelte sich dabei nicht um ein Parkhaus, sondern um eine Art Hochgarage mit Tankstelle und vielerlei Serviceangeboten rund um das Automobil. Aber warum baut ein Investor in dieser Zeit eine solche Anlage mitten in der City? Ganz einfach: weil zu dieser Zeit in Berlin und auch anderswo kein Automobil ohne den dazu passenden Stellplatz zugelassen werden konnte.

Wer keinen Stellplatz hatte, konnte auch kein Auto besitzen.

Außerdem befand man sich gerade im Übergang vom Herrenfahrer zum Selbstfahrer. Bis weit in die 1920er Jahre ließen sich die Reichen und Schönen in ihren Fahrzeugen chauffieren. Wer sich ein Auto leisten konnte, der hatte auch einen Fahrer, der meist in Personalunion auch noch der Gärtner und der Hausdiener war. Erst langsam begann sich die Elite der Gesellschaft selbst hinter das Lenkrad zu setzen. Wegbereiter waren vor allen Dingen Kulturschaffende wie Bert Brecht oder emanzipierte Frauen wie Clärenore Stinnes, die am Anfang der 1930er Jahre das Selbstfahren populär machten und den Herrenfahrer langsam ablösten.

Das ging aber nicht ohne ein enges und gut funktionierendes Servicenetz, da die damaligen Gerätschaften den Betrieb des Öfteren versagten. Allerdings gab es kaum Autos. Man kann es sich gar nicht vorstellen, aber in ganz Deutschland waren 1930 knapp 270.000 Fahrzeuge zugelassen. Heute sind es mehr als 47 Mio. In der tosenden Stadt Berlin waren es knapp 80.000 Einheiten, was im Vergleich zu den 1,2 Mio. Fahrzeugen im Jahre 2020 nahezu niedlich wirkt.

Die Nationalsozialisten, die den Autobesitz als Teil vom privaten Glück definierten und mächtig voranbrachten, sorgten mit der „Reichsgaragenordnung“ dafür, dass die Zahl der notwendigen Stellflächen sozusagen gesetzlich erzwungen in ausreichender Menge bereitgestellt werden musste.

Jedenfalls blieb das Dauerparken eines Fahrzeuges im öffentlichen Raum verboten. Erst in den 1960er Jahren, als die Zulassungszahlen durch eine Reihe von steuerlichen Erleichterungen und weiteren gesetzlichen Privilegien deutlich zunahmen und die Zahl der Abstellmöglichkeiten nicht Schritt halten konnte, begannen immer mehr Menschen und Gewerbetreibende ihre Fahrzeuge einfach auf der Straße abzustellen und einen „Laternenparkplatz“ zu wählen.

Als der Bremer Senat dies mit dem Hinweis auf das bestehende Recht verbieten lassen wollte, klagte sich ein Unternehmer bis zum Bundesverwaltungsgericht durch und erreichte, dass ab 1966 die immer mehr um sich greifende Praxis des öffentlichen Abstellens legal wurde. Die Argumente des Gerichts:

Wenn der Staat möchte, dass mehr Autos in den Verkehr gebracht werden, die Zahl der dazu notwendigen privaten Parkmöglichkeiten aber nicht ausreicht und sich bereits sehr viele dieses Recht einfach angeeignet haben, dann ist es jetzt legal.

Diese Art von Mobilität hat uns einen extrem raumgreifenden und entfernungsintensiven Lebensstil ermöglicht, weil mit dem Auto im Kopf die Lebens- und Arbeitsplanung praktisch ohne Rücksicht auf den konkreten Ort zu schaffen war. Für die Stadt- und Regionalplanung und den Siedlungsbau hat diese Art von Bewegung viele Optionen eröffnet: Städte konnten funktional getrennt, Wohnen, Arbeiten und Vergnügen räumlich auseinandergelegt werden.

Unter dem Motto Licht, Luft, Sonne war die Entstehung von Großsiedlungen am Stadtrand möglich. Doch mittlerweile ist aus dieser Lust an ungebundener Beweglichkeit eine wahre „Raumlast“ geworden, mit extrem hohen Kosten für die Umwelt sowie auch für die Einzelnen.

Das Automobil zum Selbstfahren, dass jederzeit und überall bereitgestellt werden soll, kommt an seine objektiven Grenzen.

Ein Konsum- oder Investitionsgut, das zu rund 90 Prozent seiner Zeit steht und bei Fahrten einen Besetzungsgrad von 1,01 Menschen bei durchschnittlich 5 Sitzplätzen aufweist und wenn man es neu kauft, auch noch nach nicht einmal drei Jahren rund die Hälfte seines Wertes verloren hat, kann das Auto keine Zukunft als Massenverkehrsmittel haben.

Und in der Tat: während sich die älteren Herren der deutschen Automobilwirtschaft nicht vorstellen können, dass die Zeit des selber Schaltens, Kuppelns und Lenkens vorbei sein wird, ist die Zukunft längst schon von der Gegenwart verschluckt worden. Es geht ganz einfach:

Man drückt auf einen Knopf und „bestellt“ sein Fahrzeug. Man kann zwischen ganz unterschiedlichen Qualitäts–und Preisklassen wählen: Exklusiver, schneller Transport oder Poolingfahrten für kleines Geld mit längerer Wegstrecke. Es kann bis zum nächsten großen Hub gehen und dann mit der Bahn weiter – oder aber auch direkt von Tür zu Tür. Man muss keinen gigantischen Fuhrpark in Tiefgaragen oder P&R-Plätze oder gar Parkplätze in den Städten bereitstellen und gewinnt mehr Raum bei einer viel effizienteren und bequemeren Transportart.

Nach ersten Berechnungen lässt sich damit die Zahl von heute rund 500 Fahrzeugen auf 50 pro 1.000 Einwohner reduzieren (vgl. Canzler et al. 2018). In einer Reihe von Projekten wird in Deutschland – außerhalb der Automobilindustrie – bereits daran probiert. Vor allen Dingen in ländlichen Regionen können diese Shuttles jetzt schon fast alles, was man braucht.

Würde man bei der Siedlungsplanung nicht immer den Stellplatz im Kopf haben, sondern sich auf die Mobilitätsfunktion konzentrieren und die Wege- und Erschließungsplanung anpassen, könnten die Shuttles schon Alltag sein. Überraschend ist die extrem hohe Akzeptanz bei Älteren wie bei Jüngeren für solche Fahrzeuge.

In den USA geht man gar nicht erst den Umweg über die Konstruktion neuer Wägelchen, sondern nimmt den bestehenden KFZ-Bestand und baut diesen durch neues Equipment zu „Robotaxis“ um: heraus kommen dann autonome Flotten, die sich selbst disponieren und von einem Automatenfahrer überwacht werden.

Die Berliner Kant-Garagen werden gerade saniert und suchen noch eine neue Bestimmung. Aus dem Palast der Automobile könnte ein Palast der Mobilität mit einer klaren Botschaft werden:

Kein Selbstfahren mehr, keine privaten Autos, die parken und abgestellt werden müssen, stattdessen werden sie digital vernetzt und automatisiert betrieben.

Der Gastbeitrag ist im Original in der Mitgliederzeitung des wohnbund e.V erschienen.

Unter der Schirmherrschaft des schleswig-holsteinischen Verkehrsminister Dr. Buchholz hat sich der erste Mobilitätskongress SH (19.-27. Februar 2021) auf die Fahnen geschrieben, engagierte und interessierte Akteure aus ganz Schleswig-Holstein zu vernetzen: In verschiedenen Formate können Sie sich über Strategien und Pionierprojekte zur Verkehrswende austauschen, um so miteinander und voneinander zu lernen. Unter der Fragestellung „Wie können wir einen Beitrag zu einer klimafreundlichen Verkehrswende in Schleswig-Holstein leisten“ stellen Referent*innen aus der Praxis gute Beispiele vor, die sich in fast jeder Kommune initiieren und umsetzen lassen.

Dabei reicht das Themenspektrum von Elektromobilität und Mobilitätsmanagement über Radverkehrsinfrastruktur und ÖPNV bis hinzu Sharing-Modellen, Autonomen Fahren und Mobilitätsverhalten im Allgemeinen. Vom Carsharing bis zum Radschnellweg, vom schulischen Mobilitätsmanagement bis zu kommunalen Fördermitteln.

Anke Borcherding vom Verkehrswendebüro hält den Abschlussvortrag.

Programm und Anmeldung
verkehrswende-sh.de

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Flotten der Kommunen, der Länder und des Bundes zügig elektrifizieren
Europa sollte sich ein Beispiel an Joe Biden nehmen

Die Ankündigung des neuen US-Präsidenten, die rund 650.000 Fahrzeuge der Bundesbehörden durch Elektroautos zu ersetzen hat in der globalen Elektromobilitätsdiskussion für Aufsehen gesorgt. Zum einen hat Joe Biden die Förderung der Elektromobilität in den Kontext der Konjunkturbelebung gestellt. Ein Kontrast zu vielen Aussagen von Politikern in Europa, die den Umstieg auf Elektromobilität in Verbindung zu Arbeitsplatzverlusten kommunizieren. Nicht selten wird dabei die Erwartung geschürt, man würde durch den Verzicht auf den Bau von Elektrofahrzeugen Arbeitsplätze in der Industrie sichern. Das Gegenteil ist der Fall: die Standorte, die keine Elektroautos produzieren, werden mittelfristig gar keine Fahrzeuge mehr bauen. Joe Biden hat seine Elektroauto-Initiative als Bestandteil der Buy American Strategie platziert und betont, dass die “sauberen Elektrofahrzeuge in Amerika von amerikanischen Arbeitern“ gebaut werden sollen. Joe Biden kann nur über die Fahrzeuge in den Bundesflotten entscheiden. Bereits seit September 2018 existiert auf der kommunalen Ebene eine Initiative für den gemeinsamen Einkauf von Elektroautos für kommunale Flotten. Die Climate Mayors Electric Vehicle Purchasing Collaborative hat mittlerweile von rund 250 Städte und Regionen eine Erklärung zum Kauf von mehr als 4.000 Elektroautos eingesammelt.

Im Bereich der Flottenelektrifizierung in Europa sind vergleichbare Aktivitäten nicht zu erkennen. Auf der nationalen Ebene existieren mancherorts unverbindliche Flottenziele und auf der kommunalen Ebene existiert ein höchst unterschiedliches Bild. Einige Städte haben bereits über 30 % ihrer Flotten elektrifiziert. Mit Sicherheit wäre der Elektroanteil in den kommunalen Flotten deutlich höher, wenn der Markt mehr Modelle und eine bessere Verfügbarkeit bieten würden. Da bis 2020 die deutschen Autohersteller vollelektrische Fahrzeuge in geringer Stückzahl produzierten und sich vor Großbestellungen eher fürchteten sind von dieser Seite keine Anstrengungen unternommen worden, Bund, Ländern und Kommunen Elektroautos zu verkaufen. Mit steigenden Produktionsziffern der europäischen Hersteller und der wachsenden Konkurrenz aus Asien dürfte sich die Situation rasch ändern.

Allerdings sollte man jetzt nicht nur – wie Joe Biden – ambitionierte Ziele formulieren, sondern eine kluge Strategie zur Umstellung der öffentlichen Flotten auf Elektrofahrzeuge formulieren. Im Mittelpunkt werden dabei sicher die PKW und leichten Nutzfahrzeuge in den Kommunen und kommunalen Betrieben stehen. Da die Fahrprofile bekannt sind, kann man die Umstellung auf E-Antriebe gut steuern. Die überwiegende Zahl der Fahrzeuge ist täglich weniger als 40 KM am Tag unterwegs. Zur Verbesserung der Klimaeffekte und der Kosten sollte man die Batteriekapazität der Kommunalfahrzeuge den Fahrleistungen anpassen. Sie können mit kleineren Batterien versehen werden. Das spart Energie und Ressourcen bei der Produktion, Kosten beim Erwerb und wegen der Gewichtsreduzierung auch Fahrstrom beim Einsatz. Es bietet sich geradezu an, für die öffentlichen Flotten Modelle mit kleiner Batterie (eine Reichweite um die 100 km ist in der Regel ausreichend) zu fertigen. Zur weiteren Kostensenkung wäre ein Höchstmaß an Standardisierung bei der Ausstattung der Fahrzeuge anzustreben. Mit Blick auf die gesamte Europäische Union könnte man eine große Nachfrage nach kleineren E-Autos generieren. Diesem Segment wurde bisher zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Hier droht wohl auch die stärkste Konkurrenz der Wettbewerber aus Asien. Für spezielle Anwendungen im Kommunalsektor bieten sich bieten sich im Zuge der Elektrifizierung viele Chancen für spezialisierte Unternehmen. Hier sollte eine engere Zusammenarbeit in der Produktentwicklung zwischen Herstellern und Anwendern in den Kommunen organisiert werden.

Natürlich wird man sich bei der europäischen Beschaffungsinitiative an das Vergaberecht und die Wettbewerbsregeln halten müssen. Da geht es aber Joe Biden und den US-Städten nicht anders. Das Verkehrswendebüro hat bereits im Jahr 2020 eine europäische Beschaffungsinitiative gefordert. Nach Veröffentlichung der Pläne in den Vereinigten Staaten wäre es sicher sinnvoll, sich auch in Europa intensiver mit der Sache zu beschäftigen.

Text in der Erklärung „Mit der Verkehrswende aus der Krise“: PKW, leichte Nutzfahrzeuge und Busse mit Verbrennungsmotoren sollen in den kommunalen Flotten durch Fahrzeuge mit elektrischen Antrieben ersetzt werden. Auf diesem Wege kann die Zahl der E-Fahrzeuge im Bund und in der Europäischen Union zügig erhöht und ein signifikanter Beitrag zur Einhaltung der Flottengrenzwerte geleistet werden. Innovativen Anbietern in der EU eröffnen sich auf diesem Weg neue Marktchancen. Auf der Basis bestehender Erfahrungen soll eine gemeinsame Beschaffungsinitiative von Kommunen den administrativen Aufwand reduzieren und die notwendige Planungssicherheit bei den Herstellern schaffen.

Autor:
Raimund Nowak war von 2009 bis 2020 Geschäftsführer der Metropolregion Hannover Braunschweig Göttingen Wolfsburg. In dieser Funktion hat er eine größere Zahl von nationalen und europäischen Modellvorhaben verantwortet. Dazu gehört der Aufbau einer der größten kommunalen Elektroautoflotten in Europa. Im Zuge des EU-Projektes „promoting eletric mobility in urban europe“ hat er 2020 den Vorschlag einer europäischen Beschaffungsinitiative vorgelegt.