Modellkommune Großstadt:
Leipzig (Sachsen)
Leipzig ist die seit zehn Jahren am schnellsten wachsende Stadt in Deutschland, mittlerweile sind mehr als 600.000 Einwohner*innen registriert. Die Mehrzahl der neuen Einwohner*innen geht in die nördlichen und südlichen Randgebiete. Leipzig droht daher, seine Kompaktheit zu verlieren. Wachstum und Zersiedelung werden entsprechend als Probleme gesehen.
Eine solide Infrastruktur für Bus und Bahn, eine steigende Anzahl von Fahrradfahrenden, stationäres und flexibles Car- und Bikesharing und digitale Ridepooling-Angebote: Alternativen zum privaten Pkw haben in Leipzig zu einer Veränderung im Mobilitätsverhalten geführt.
Man könnte mit Fug und Recht behaupten, dass Leipzig das Potential hätte, die Verkehrswende-Stadt in Deutschland zu werden. Eine genaue Analyse der Entwicklung der Stadt zeigt, dass Leipzig mit seiner kompakten Stadtstruktur und einer stark wachsenden Bevölkerungszahl bereits den Kern einer neuen Verkehrskultur lebt und als städtisches Labor der Zukunft funktioniert: eine solide ÖV-Infrastruktur, eine steigende Anzahl von Fahrradfahrenden, kombiniert mit einem wachsenden stationären und flexiblen Car- und Bikesharing, ergänzt durch digitale Ridepooling-Angebote sind die sichtbaren und gelebten Zeichen von Alternativen zum privaten Auto.
Dies deutet an, dass sich in Leipzig heimlich, still und leise bereits ein Wandel im Verkehrsverhalten zeigt, denn es gibt Alternativen zum privaten Auto. Mit knapp 600 Carsharing-Fahrzeugen, davon 200 als Freefloating-Angebote, ist eine solide Grundlage bereits gelegt. Mit 150 Kilometer Straßenbahnnetz verfügt Leipzig über ein sehr gut ausgebautes und leistungsfähiges ÖV-Netz, das die Stadt sehr gut erschließt, allerdings noch gut gefüllt werden muss. Denn mit einer durchschnittlichen Auslastung von gut 16 Prozent über alle Strecken, Linien und Zeiträume ist noch jede Menge Luft nach oben.
Digitale Pooling-Dienste ergänzen das Angebot an Bussen und Bahnen sehr sinnvoll. Die Auswertung der Fahrprofile sowie die Befragung der Kunden zeigt, dass diese digitalen Anrufsammeltaxis besonders in Leipzig in dieser Hinsicht ein Erfolgsmodell ist. Die Pooling-Quote, also die Zahl von Fahrten, in denen mehrere Fahrgäste befördert werden, beträgt in Leipzig knapp 50 Prozent und erreicht am Wochenende im Vergleich zu anderen Städten mit durchschnittlich rund 65 Prozent wahre Spitzenwerte.
Besonders eindrucksvoll ist in Leipzig, dass solche digitalen Pooling-Dienste dazu dienen, die Schwachlastzeiten des ÖVs zu kompensieren. An Wochenenden und in den späten Abendstunden ist die Nutzungsfrequenz dieser Angebote sehr hoch. Samstags zwischen 23 und 2 Uhr transportieren die Fahrzeuge ein Drittel der Fahrgäste im Wochenverlauf.
Das Interessante: Rund 67 Prozent der befragten Nutzer*innen verfügen über ein Fahrzeug im Haushalt, aber rund 40 Prozent der Befragten könnten sich in Leipzig vorstellen, das Auto abzuschaffen, wenn solche Pooling-Angebote dauerhaft verfügbar bleiben. Auf Basis der Umfragen lässt sich hochrechnen, dass in Leipzig ein Pooling-Fahrzeug rund 50 private Pkws ersetzen könnte.
Zurzeit werden im Stadtgebiet von Leipzig nur 65 Pooling-Autos zugelassen, der Betrieb läuft unter der Kontrolle der Experimentierklausel des Personenbeförderungsgesetzes und wird daher von der Stadt streng reglementiert. Wenn also statt der sehr begrenzten Zahl beispielsweise 1.000 Fahrzeuge zugelassen würden, dann könnten rechnerisch rund 50.000 Fahrzeuge durch Pooling-Angebote abgeschafft werden.
Ergänzt man noch die Berechnung, dass durch die Kombination aus unterschiedlichen Carsharing-Angeboten pro Fahrzeug laut Umweltbundesamt rund 15 Autos eingespart werden, dann könnte eine offensive Flächenbereitstellung solcher Angebote sofort Wirkung zeigen.
Nach Schätzung von Betreibern wäre in Leipzig für gut 1.200 Fahrzeuge eine Nachfrage vorhanden. Damit könnten weitere 18.000 private Kfz eingespart werden, insgesamt also 68.000 Fahrzeuge. Das ist rund ein Drittel des gesamten privaten Kfz Bestandes in Leipzig.
Dem Vernehmen nach werden die Angebote des Freefloating-Carsharings sowie auch die des digitalen Pooling bereits jetzt in Leipzig nahezu auskömmlich betrieben. Leipzig gönnt sich dennoch immer noch sehr viel Platz für Autos, der Innenstadtring ist durchweg mehrspurig, eine Vorrangschaltung für Bahnen fehlt.
Die Stadt hat eine konkrete Bitte an das Verkehrswendebüro: Unterstützung bei der Verbreiterung der Mitmachenden. Viele stehen einer Verkehrswende auch in Leipzig immer noch skeptisch gegenüber, nicht mehr aus ideologischen oder grundsätzlichen Erwägungen, sondern weil die Menschen kein Zutrauen mehr in den Wandel haben und nicht an den eigenen Erfolg glauben.