Verkehrswendebüro
Verkehr ist ja nicht nur Folge gesellschaftlicher Praktiken, sondern zugleich ihre Voraussetzung. So war die Absenkung der Widerständigkeit des Raumes und die Verfügbarkeit von privaten Automobilen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts die verkehrliche Basis für den Traum vom privaten Glück. Es hat sich ein raumgreifender und entfernungsintensiver Arbeits– und Lebensstil fest etabliert. Dieser wird mit allen politischen Instrumenten auch bis heute stabilisiert. Bereits vor der Pandemie zeigten sich in diesem Modell schon Risse, das Auto verschluckt sich sozusagen am eigenen Erfolg. Der Aufwand für die Beteiligten alles und jedes mit dem Auto bewerkstelligen zu müssen, ist schlicht zu groß. Die Nebenfolgen der Massenmotorisierung für Umwelt und Klima überlagern seinen Nutzen. Mittlerweile machen die Klimagasemissionen des Verkehrs fast ein Drittel aller Emissionen in Deutschland aus. Im Gegensatz zu den anderen Sektoren gibt es im Verkehr seit Jahrzehnten praktisch keine Einsparungen.
Von der Entfernungspauschale über die Straßenverkehrsordnung bis zum Bundesverkehrswegeplan: Der deutsche Staat fühlt sich dem Lebensideal der Nachkriegsjahrzehnte verpflichtet. Das Auto hat nach wie vor Vorfahrt, die dafür notwendige Infrastruktur wird bis heute ausgebaut und der öffentliche Verkehr als Alibi-Veranstaltung einfach nur verwaltet. Alternativen wie digitale Plattformen oder gar Autonome Flotten spielen in diesen Überlegungen keine Rolle. Die bisher vom System profitierenden Autohersteller und ÖV- Betreiber fühlen sich in Deutschland wohl.
Der nötige Wandel wird schmerzhaft und auch die Sozialpartnerschaften in Deutschland vor ganz neue Herausforderungen stellen.
Wir beschäftigen uns mit diesem Wandel und den entgegenstehenden Beharrungskräften. Ein Modernisierungspakt in der Mobilität, die über eine reine Veränderung der Antriebe hinausgeht, ist längst überfällig. Dafür braucht es den Mut für neue Bündnisse. Es braucht zugleich das, was das Bundesverfassungsgericht 2021 gefordert hat: eine klare politische Rahmensetzung für die Verkehrswende, die die Freiheitsrechte künftiger Generationen nicht einschränkt.