On-Demand-Verkehr

Konzeptionelle Ebene

Definition und Ziele
Als On-Demand-Verkehr werden Mobilitätsangebote auf Bestellung bezeichnet. Beim On-Demand-Verkehr kommt der Fahrdienst nur auf Bestellung und wird in der Regel mit Pkw oder Kleinbussen betrieben. Die Abholung kann dabei fahrplan- oder haltestellengebunden oder über eine Tür-zu-Tür-Bedienung erfolgen (vgl. PTV Planung Transport Verkehr AG, 2019, S.8). Ziel ist es, durch flexible Mobilitätsangebote auf Bestellung Lücken im öffentlichen Nahverkehrsnetz zu schließen, insbesondere die „erste und letzte Meile“ sowie in dünn besiedelten Räumen und zu Tagesrandzeiten. „Die Fahrgäste rufen das Fahrzeug telefonisch oder per Smartphone-App und geben an, wohin sie gefahren werden möchten. Ein Algorithmus berechnet die optimale Route, um die Fahrgäste möglichst günstig an ihr Ziel zu bringen. Werden auch noch weitere Fahrgäste mit ähnlichen Wegen, die sonst einzeln gereist wären, im selben Fahrzeug befördert, spricht man von Pooling.“ (VCD Position, On-Demand-Ridesharing, S.2)

Probleme und Herausforderungen
Sinnvoll sind On-Demand-Angebote, wenn sie als Teil des Öffentlichen Verkehrs dazu beitragen, eine attraktive Alternative zum privaten Auto zu werden. Deswegen ist eine enge Verknüpfung mit dem klassischen ÖPNV notwendig. Flexible On-Demand-Angebote sind allerdings nur schwer in das Finanzierungssystem für den ÖPNV zu integrieren. Das gilt insbesondere für digital basierte Pooling-Dienste. Aufgabenträger sind äußerst zurückhaltend, diese auszuschreiben. Lediglich große Verkehrsunternehmen sind in der Lage – und manchmal auch bereit – innovative On-Demand-Angebote als zusätzliche Dienstleistungen zu offerieren. Sie begeben sich zudem in einen rechtlichen Graubereich, wenn sie Teil des öffentlichen Verkehrs werden und dann auf eine Anwendung und Genehmigung nach der Experimentierklausel des PBefG angewiesen sind. Die Herausforderung besteht darin, zum einen eine Novelle des PBefG mit dem Ziel einer größeren Rechtssicherheit für innovative digitale On-Demand-Angebote auf den Weg zu bringen. Zum anderen muss es eine Möglichkeit geben, die Finanzierung im Rahmen der durch Bundesmittel mit Überweisung an die Länder geleisteten Regionalisierungsmittel abzusichern. Denkbar ist beispielsweise ein „Ein-Prozent-Fond“, mit dem Regionalisierungsmittel und rund 90 Millionen Euro von den Aufgabenträgern und zuständigen Bestellern für diese Angebote ausgelobt werden können.

Mögliche Auswirkungen und möglicher Beitrag zu einer klimafreundlichen Mobilität
Noch gibt es erst wenige Erfahrungen dazu, welche Effekte ein durch flexible On-Demand-Angebote erweiterter ÖPNV tatsächlich haben kann. Die bisherigen Versuche waren entweder zu kurz oder räumlich zu sehr eingeschränkt. Grundsätzlich ist jedoch zu erwarten, dass ein mit vielfältigen flexiblen Zusatzangeboten ergänzter ÖPNV die gesamte Wegekette besser abdeckt und daher erheblich an Attraktivität gewinnen kann. Voraussetzung sind jedoch eine volle Integration in das Dienstleistungsangebot des ÖPNVs sowie ein gleichzeitiger Abbau der Privilegien des privaten Pkw.

Informative Ebene

Sammlung von Fachinformationen und wissenschaftlichen Studien zum Thema On-Demand-Verkehr

On-Demand-Verkehr im Allgemeinen

Rufbus meets Mobility 4.0
Der Beitrag gibt einen Überblick über die Entwicklungsgeschichte von Ridepooling und stellt die gegenwärtige Situation dar. Es wird eine Marktübersicht über Start-ups sowie online-buchbare Rufbus-Systeme aufgezeigt. Zudem werden Thesen für einen systemgerechten Einsatz von Ridepooling formuliert. (Stand: 2018; Fachartikel)
https://www.busundbahn.de/dossiers/neue-mobilitaetsangebote.html
DNV_(2018)_Rufbus_meets_Mobility_4.0_Fachartikel

On-Demand-Verkehr mit Fokus auf Ridesharing und den ÖPNV

On-Demand-Ridesharing: Nur als Teil des ÖPNV eine Chance für die Verkehrswende (VDV)
Das Positionspapier des VDV zu On-Demand-Verkehren argumentiert für eine Integration der neuen Angebote in bestehende ÖPNV-Systeme. Chancen und Risiken werden aufgeführt und der Bezug zum PersonenBeförderungsGesetz (PBefG), insbesondere Novellierungsbedarf für einen dauerhaften Betrieb, aufgezeigt. (Stand: 2018; Positionspapier)
https://www.vcd.org/artikel/on-demand-ridesharing-nur-als-teil-des-oepnv-eine-chance-fuer-die-verkehrswende/
VCD_(2018)_On-Demand-Ridesharing_Positionspapier

Ride-Pooling-Dienste und ihre Bedeutung für den Verkehr. Nachfragemuster und Nutzungsmotive am Beispiel von „CleverShuttle“ (WZB)
In dem Diskussionspapier des WZB wurden erstmalig die Fahrgastdaten des Ride-Pooling Anbieters CleverShuttle analysiert. Über 3.500 Kund*innen in vier deutschen Großstädten wurden zur Bewertung des Angebots befragt. Ziel war es herauszufinden, inwiefern Ride-Pooling Dienste zu einer Reduktion des MIV führen können. (Stand: 2020; Diskussionspapier)
https://www.wzb.eu/de/pressemitteilung/jung-flexibel-umweltfreundlich
WZB_(2020)_Ride-Pooling-Dienste und ihre Bedeutung für den Verkehr_Diskussionspapier

On-Demand-Verkehr im ländlichen Raum

Ländliche Mobilität vernetzen – Ridesharing im ländlichen Raum und dessen Integration in den öffentlichen Verkehr (oekom)
Das Buch betrachtet vor dem Hintergrund, wie für Menschen ohne eigenen Pkw die soziale Teilhabe sichergestellt werden kann und unter Aspekten der Verkehrswende, allgemein die Potenziale von lokalen Ridesharing-Angeboten in ländlichen Gebieten. Anhand eines Praxisbeispiels wird untersucht, inwieweit eine Verknüpfung von Ridesharing mit dem ÖPNV sinnvoll und notwendig ist. Daraus werden Maßnahmen zur Motivation der Teilnahme an Ridesharing-Angeboten abgeleitet. (Stand: 2019; Buch)
https://www.oekom.de/buch/laendliche-mobilitaet-vernetzen-9783962381615
oekom_(2019)_Ländliche Mobilität vernetzen_Buch

Gute Mobilität in ländlichen Räumen (VDV)
Positionspapier des VDV zur Rolle von On-Demand-Angeboten für ein modernes, integriertes Mobilitätsangebot in ländlichen Regionen. Darüber hinaus werden Vorschläge für eine verlässliche investive und konsumtive Finanzierung des regionalen ÖPNV aus öffentlichen Mitteln abgeleitet. (Stand: 2020; Positionspapier)
https://www.vdv.de/mobilitaet-im-laendlichen-raum-staerken.aspx
VDV_(2020)_Gute_Mobilität_in_ländlichen_Räumen_Positionspapier

Bürgerbusse und Gemeinschaftsverkehre – Bausteine der ländlichen Mobilität in Baden-Württemberg (Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg mbH)
Dieses Grundlagenpapier befasst sich mit den Angeboten, den dafür benötigten Ressourcen und der Organisation von Gemeinschaftsverkehren. Es wird zum einen der Status quo dargestellt und zum anderen werden Empfehlungen bezüglich Angebotstypen ausgesprochen. (Stand: 2015; Grundlagenpapier)
https://www.nvbw.de/aufgaben/planung-und-foerderprogramme/kompetenzzentrum-neue-oepnv-angebotsformen/buergerbusse
NVBW_(2015)_Buergerbusse_Gemeinschaftsverkehre_Grundlagenpapier

Mobilitäts- und Angebotsstrategien in ländlichen Räumen (BMVI)
Dieses Handbuch des Verkehrsministeriums ist ein umfassender Planungsleitfaden für Handlungsmöglichkeiten von Verkehrsunternehmen unter besonderer Berücksichtigung wirtschaftlicher Aspekte flexibler Bedienungsformen, d.h. Betriebsmodelle und Finanzierung von On-Demand-Angeboten. (Stand: 2016; Handbuch)
https://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Publikationen/G/mobilitaets-und-angebotsstrategien-in-laendlichen-raeumen-neu.html
BMVI_(2016)_Angebotsstrategien_laendlicher_Raum_Leitfaden

Praktische Ebene

Sammlung von Best-Practice-Beispielen aus verschiedenen Anwendungsfeldern und Kontexten.

Laufende und abgeschlossene Projekte zum Thema On-Demand-Verkehr (städtisch)

Anton (Bielefeld, laufend)
In den peripheren Bielefelder Stadtbezirken Sennestadt und Jöllenbeck ergänzt das On-Demand-Angebot ‚Anton‘ den konventionellen Linienverkehr, insbesondere abends und nachts sowie an Sonn- und Feiertagen. Die per App oder Telefon bestellbaren Kleinbusse verfügen über je sieben Sitzplätze und einen Rollstuhlplatz. Ein Hintergrundsystem kombiniert die Fahrtwünsche jedes Fahrgasts zur idealen Route.
https://www.mobiel.de/service/flowbie/anton/
Anton_(2019)_Pressemitteilung

MyBus (Duisburg, laufend)
Der MyBus ist das On-Demand-Angebot der Duisburger Verkehrsgesellschaft (DVG), das über die DVG-App gebucht werden kann. Die Fahrt im Kleinbus teilt man sich mit anderen Fahrgästen, deren individuellen Ziele ebenfalls auf dem Fahrweg liegen. Die Fahrtwünsche werden gebündelt und die Route dynamisch auf Basis der Echtzeit-Nachfrage berechnet. Die markant und einheitlich gestalteten Kleinbusse ergänzen derzeit den normalen Linienverkehr, wenn dieser reduzierte Taktzeiten hat.
https://www.dvg-duisburg.de/mybus/

Laufende und abgeschlossene Projekte zum Thema On-Demand-Verkehr (ländlich und polyzentrisch)

garantiert mobil! (Region Odenwald, laufend)
Mit dem Projekt ‚garantiert mobil!‘ möchte die Odenwald-Regional-Gesellschaft mbH (OREG) aufzeigen, wie durch eine neue Form integrativer Mobilität eine nachhaltige Mobilitätssicherung im ländlichen Raum betrieben werden kann. Unter anderem sollen Mitnahmefahrten eine integrale Rolle spielen. In einem Artikel wird u.a. die Weiterentwicklung eines ganzheitlichen Buchungs- und Informationssystems für die lokalen Bedürfnisse beschrieben.
(Stand: 2019)
https://www.odenwaldmobil.de/index.php
Garantiert_mobil_Odenwald_Fachartikel

Pfiffibus
Der Landkreis Neu-Ulm hat im Jahr 2013 den Pfiffibus eingeführt. Er soll den Linienverkehr am Abend und am Wochenende mittels eines Rufbussystems ergänzen. Der achtsitzige Kleinbus fährt nach Fahrplan, steht am Bahnhof Thalfingen und bringt die Fahrgäste vom Zug nach Hause oder zum Bahnhof oder zwischen den Gemeindeteilen hin und her.
https://www.ding.eu/de/fahrplan/pfiffibus/
Ding_Pfiffibus_Flyer

GetMobil (Nordhessen, abgeschlossen)
Das Projekt GetMobil untersuchte neue Mobilitätsangebote im ländlichen Raum mit dem Schwerpunkt Ridesharing im Allgemeinen sowie die Verknüpfung von Ridesharing und ÖPNV im Speziellen. Erkenntnisse zur Integration von Ridesharing in den ÖPNV sowie zu verhaltensbezogenen Strategien wurden aufbereitet.
http://getmobil.uni-kassel.de/veroeffentlichungen.html
GetMobil_Policy_Brief_1_Verhalten      GetMobil_Policy_Brief_2_Ridesharing     GetMobil_Policy_Brief_3_Integration

Carla – das Auto als Bus (Wartburgkreis, abgeschlossen)
Seit 2018 fördert das Thüringer Ministerium für Umwelt, Energie und Naturschutz den Aufbau eines Angebots von (elektrischen) Straßenfahrzeugen für neue Nutzungen im ländlichen Verkehr. Mit Erteilung einer Betriebserlaubnis für ein Jahr hatte das Landratsamt Wartburgkreis experimentell (§ 7 Abs. 2 PBefG) den Betrieb von fünf Fahrzeugen auf einer digitalen Plattform die Voraussetzungen geschaffen, die es ermöglichte, dass diese Fahrzeuge vom ÖPNV-Unternehmen Wartburgmobil als neues Angebot entwickelt werden konnten. Im Zentrum stand der Gedanke, in Zeiten und in Räumen schwacher Nachfrage ein Angebot zu entwickeln, das durch das aktuelle Personenbeförderungsgesetz (PBefG) verhindert wird: Menschen, die sich zuvor auf einer digitalen Vermittlungs- und Bezahlplattform registriert haben, sollten in einem definierten Gebiet andere Personen gegen ein Entgelt von max. einem Euro pro Kilometer mitnehmen können.
https://wzb.eu/de/forschung/digitalisierung-und-gesellschaftlicher-wandel/digitale-mobilitaet/projekte/carla-das-auto-als-bus-ausbau-von-e-fahrzeugen-auf-digitalen-plattformen-im-wartburgkreis-emg-3